Zufälle gibt‘s. Vor drei Wochen erreicht mich eine Mail von Tobias Fessler, der mich auf die seine fesslermill 1396 Destillerie in der Fessler-Mühle in Sersheim aufmerksam macht und darauf hinweist, dass das gar nicht so weit weg von Karlsruhe sei. Ich schaue es mir auf der Karte an und denke – Moment mal, da bin ich eine Woche später doch gleich nebenan bei Freunden zu einem Whiskyabend eingeladen. Also gleich einen weiteren Termin ausgemacht und am Morgen danach einen Abstecher eingelegt. Das Wetter war eher schottisch und die Sonne zeigte sich eher schwäbisch-sparsam, aber das passt ja auch irgendwie…
Die Fessler-Mühle von 1396
Die Fessler-Mühle ist alt, sehr alt, und das sieht man auch. Sie gehört zu den ältesten Mühlen in Baden-Württemberg, wurde urkundlich 1396 das erste Mal erwähnt, weshalb diese Jahreszahl auch im Namen der Destillerie auftaucht. Die noch stehenden Mühlengebäude stammen von um 1700. Von der Hauptstraße aus dem Ort raus muss man einen kleinen, steilen Weg den Hang runter direkt in die Gebäude reinfahren und das überlegt man sich zweimal.
Tobias Fessler ist in der 10. Generation Müller und führt die Mühle zusammen mit seinem Vater Wolfgang, auch der Opa lebt noch und ist über 100. Viel Tradition also.
Die Fessler-Mühle ist natürlich immer noch eine Mühle, in deren Mühlen-Laden man von Mehl über Müsli und Keksen bis Brot und Öl so ziemlich alles kaufen kann, was das Getreide hergibt. Dazu ist sie auch ein Sport-Institut mit Spezialisierung auf Rückenfitness, man kann Feiern und Tagen, es gibt ein Theater mit schwäbischem Kabarett im historischen Beutelkasten, einen Kochklub, Sporternährungsprodukte und eine naturheilkundliche Praxis. Kurz: Nichts, was es nicht gibt. Hatte ich das Heimatmuseum im Speicher schon erwähnt?
Aber ich war ja wegen des Whiskys gekommen… oder wegen dem Whisky, wie man bei uns und auch im Schwäbischen gerne sagt. Der Dativ ist bei uns nicht sehr weit verbreitet, dafür pflegen Badener und Württemberger ja gerne eine kleine Feindschaft. Aber der Whisky verbindet und jeder Gast wird gleich mal in den Württemberger Whiskyklub aufgenommen, ob Badener oder nicht. Direkt neben dem oben gezeigten gezeigten Heimatmuseum liegt der Tastingraum, der auch als Ausstellungsfläche für die durchaus stattliche Anzahl an bisherigen Abfüllungen dient.
Abfüllungen gibt es deshalb so viele, weil fast alles Einzelfass-Abfüllungen sind und auch oft kleinere Fässer, z.B. alte Weinfässer befüllt werden. Als Ergebnis kommen dann oft nur 100 Flaschen pro Batch heraus, maximal 600, je nach Größe des Fasses und Trinkstärke. Dabei wird viel experimentiert, auch mit Roggen, Weizen, Dinkel und Hafer oder auch mal alten Getreidesorten. Die Standardabfüllung der fesslermill 1396 Destillerie ist aber ein ganz normaler Malt Whisky, zu dem kommen wir später noch.
Die fesslermill 1396 Destillerie
Im Hof steht etwas abseits von den anderen Gebäuden die eigentliche Destillerie, die nur aus einer einzigen Brennblase besteht. Als wir sie besichtigt haben, lief gerade Gin, was deutlich zu riechen war. Ich konnte ihn auch direkt aus dem Eimer probieren, bei 90% aber ziemlich heftig und Gin ist ja eh nicht so mein Fall… ich bleibe lieber beim Whisky.
Wie Ihr an der Anlage sehen könnt, ist es eine relativ normale Obstbrenner-Blase, interessant finde ich die Ausführung des Kessels in Edelstahl. Darauf angesprochen meinte Tobias, dass absichtlich nur die Teile in Kupfer wären, wo die gasförmigen Stoffe wirken. Das Warehouse ist in den Hang hinein gebaut und sehr kühl, schön fand ich auch den Showroom mit dem lackierten Tisch, flankiert von Fässern. Vieles sind lokale Sachen, anderes kommt von persönliche bekannten Weingütern aus Italien oder auch mal experimentelles wie Hickory Smoke. Interessant auch das Experiment mit einem „aromatisierten weinhaltigen Getränk“, sprich dem Wein, in dessen Fass der Whisky gelagert wurde und der dann wieder in dieses Fass zur weiteren Lagerung hinein durfte. Dann darf er aber nicht mehr Wein genannt werden… rauchige Whiskys werden übrigens auch produziert, sie machen rund 10% der Produktion aus. Sie entstehen allerdings ausschließlich durch Lagerung in Ex-Islay-Fässern, nicht durch getorftes Malz.
Der mettermalt Whisky
Kommen wir zum Schluss noch zur Standardabfüllung der fesslermill 1396 Destillerie, dem mettermalt Whisky. Da ich mit dem Auto unterwegs war, konnte ich vor Ort nur kurz daran nippen und fand ihn nicht schlecht. Tobias hat mir aber netterweise eine Flasche davon mitgegeben, sodass ich nochmal in aller Ruhe nachprobieren konnte.
Der mettermalt wird in der Mühle aus regionalem Gerstenmal destilliert, welches auf dem Schrotgang von 1870 mit Mahlsteinen vermahlen wird. Die Lagerung erfolgt in alten schottischen Whiskyfässern und amerikanischer Weißeiche. Das Wasser stammt aus der bekannten alwa-Quelle, die ebenfalls in Sersheim liegt. Der Herstellungsprozess findet durch eigene Wasserkraft und Photovoltaik klimaneutral statt. Der mettermalt Classic Whisky erhielt bei der Landesprämierung 2019 & 2021 Silber, sowie bei der Prämierung des Landkreis Ludwigsburg Gold (2018, 2019, 2021, 2022) und in Jim Murrays Whiskybible 2022 86 von 100 Punkte.
Er ist der einzige Whisky aus der Destillerie, der immer ein ähnliches Aroma aufweist und übrigens auch der einzige, der ein wenig nachgefärbt wird. Er ist nicht ganz so hell wie auf meinem Foto oben, hat einen sehr runden und leicht getreidigen Geruch, schmeckt leicht süßlich, etwas helle Birne, etwas Tannin. Insgesamt sehr mild und gut trinkbar. Den Preis finde ich mit 33,90 € für 0,5 Liter angemessen.
Fazit
Ich finde es toll zu sehen, wie man mit viel Ideen und Engagement einen alten Familienbetrieb wie die Fessler-Mühle in die Zukunft bringen kann. Der Whisky ist gut und ich freue mich, dass man das von immer mehr deutschen Brennern sagen kann.
Schaut doch mal bei einem der Tastings oder beim jährlichen Glencoe Swabian Whiskyday am 1. Juli 2023 in der Fessler-Mühle vorbei. Und einen Online-Shop haben sie natürlich auch.
Danke an Tobias Fessler für die ausführliche Führung und die Flasche!
(* = Affiliate-Link / Bildquelle: Amazon-Partnerprogramm)
Zufälle gibt‘s. Vor drei Wochen erreicht mich eine Mail von Tobias Fessler, der mich auf die seine fesslermill 1396 Destillerie in der Fessler-Mühle in Sersheim aufmerksam macht und darauf hinweist, dass das gar nicht so weit weg von Karlsruhe sei. Ich schaue es mir auf der Karte an und denke – Moment mal, da bin ich eine Woche später doch gleich nebenan bei Freunden zu einem Whiskyabend eingeladen. Also gleich einen weiteren Termin ausgemacht und am Morgen danach einen Abstecher eingelegt. Das Wetter war eher schottisch und die Sonne zeigte sich eher schwäbisch-sparsam, aber das passt ja auch irgendwie…
Die Fessler-Mühle von 1396
Die Fessler-Mühle ist alt, sehr alt, und das sieht man auch. Sie gehört zu den ältesten Mühlen in Baden-Württemberg, wurde urkundlich 1396 das erste Mal erwähnt, weshalb diese Jahreszahl auch im Namen der Destillerie auftaucht. Die noch stehenden Mühlengebäude stammen von um 1700. Von der Hauptstraße aus dem Ort raus muss man einen kleinen, steilen Weg den Hang runter direkt in die Gebäude reinfahren und das überlegt man sich zweimal.
Tobias Fessler ist in der 10. Generation Müller und führt die Mühle zusammen mit seinem Vater Wolfgang, auch der Opa lebt noch und ist über 100. Viel Tradition also.
Die Fessler-Mühle ist natürlich immer noch eine Mühle, in deren Mühlen-Laden man von Mehl über Müsli und Keksen bis Brot und Öl so ziemlich alles kaufen kann, was das Getreide hergibt. Dazu ist sie auch ein Sport-Institut mit Spezialisierung auf Rückenfitness, man kann Feiern und Tagen, es gibt ein Theater mit schwäbischem Kabarett im historischen Beutelkasten, einen Kochklub, Sporternährungsprodukte und eine naturheilkundliche Praxis. Kurz: Nichts, was es nicht gibt. Hatte ich das Heimatmuseum im Speicher schon erwähnt?
Aber ich war ja wegen des Whiskys gekommen… oder wegen dem Whisky, wie man bei uns und auch im Schwäbischen gerne sagt. Der Dativ ist bei uns nicht sehr weit verbreitet, dafür pflegen Badener und Württemberger ja gerne eine kleine Feindschaft. Aber der Whisky verbindet und jeder Gast wird gleich mal in den Württemberger Whiskyklub aufgenommen, ob Badener oder nicht. Direkt neben dem oben gezeigten gezeigten Heimatmuseum liegt der Tastingraum, der auch als Ausstellungsfläche für die durchaus stattliche Anzahl an bisherigen Abfüllungen dient.
Abfüllungen gibt es deshalb so viele, weil fast alles Einzelfass-Abfüllungen sind und auch oft kleinere Fässer, z.B. alte Weinfässer befüllt werden. Als Ergebnis kommen dann oft nur 100 Flaschen pro Batch heraus, maximal 600, je nach Größe des Fasses und Trinkstärke. Dabei wird viel experimentiert, auch mit Roggen, Weizen, Dinkel und Hafer oder auch mal alten Getreidesorten. Die Standardabfüllung der fesslermill 1396 Destillerie ist aber ein ganz normaler Malt Whisky, zu dem kommen wir später noch.
Die fesslermill 1396 Destillerie
Im Hof steht etwas abseits von den anderen Gebäuden die eigentliche Destillerie, die nur aus einer einzigen Brennblase besteht. Als wir sie besichtigt haben, lief gerade Gin, was deutlich zu riechen war. Ich konnte ihn auch direkt aus dem Eimer probieren, bei 90% aber ziemlich heftig und Gin ist ja eh nicht so mein Fall… ich bleibe lieber beim Whisky.
Wie Ihr an der Anlage sehen könnt, ist es eine relativ normale Obstbrenner-Blase, interessant finde ich die Ausführung des Kessels in Edelstahl. Darauf angesprochen meinte Tobias, dass absichtlich nur die Teile in Kupfer wären, wo die gasförmigen Stoffe wirken. Das Warehouse ist in den Hang hinein gebaut und sehr kühl, schön fand ich auch den Showroom mit dem lackierten Tisch, flankiert von Fässern. Vieles sind lokale Sachen, anderes kommt von persönliche bekannten Weingütern aus Italien oder auch mal experimentelles wie Hickory Smoke. Interessant auch das Experiment mit einem „aromatisierten weinhaltigen Getränk“, sprich dem Wein, in dessen Fass der Whisky gelagert wurde und der dann wieder in dieses Fass zur weiteren Lagerung hinein durfte. Dann darf er aber nicht mehr Wein genannt werden… rauchige Whiskys werden übrigens auch produziert, sie machen rund 10% der Produktion aus. Sie entstehen allerdings ausschließlich durch Lagerung in Ex-Islay-Fässern, nicht durch getorftes Malz.
Der mettermalt Whisky
Kommen wir zum Schluss noch zur Standardabfüllung der fesslermill 1396 Destillerie, dem mettermalt Whisky. Da ich mit dem Auto unterwegs war, konnte ich vor Ort nur kurz daran nippen und fand ihn nicht schlecht. Tobias hat mir aber netterweise eine Flasche davon mitgegeben, sodass ich nochmal in aller Ruhe nachprobieren konnte.
Der mettermalt wird in der Mühle aus regionalem Gerstenmal destilliert, welches auf dem Schrotgang von 1870 mit Mahlsteinen vermahlen wird. Die Lagerung erfolgt in alten schottischen Whiskyfässern und amerikanischer Weißeiche. Das Wasser stammt aus der bekannten alwa-Quelle, die ebenfalls in Sersheim liegt. Der Herstellungsprozess findet durch eigene Wasserkraft und Photovoltaik klimaneutral statt. Der mettermalt Classic Whisky erhielt bei der Landesprämierung 2019 & 2021 Silber, sowie bei der Prämierung des Landkreis Ludwigsburg Gold (2018, 2019, 2021, 2022) und in Jim Murrays Whiskybible 2022 86 von 100 Punkte.
Er ist der einzige Whisky aus der Destillerie, der immer ein ähnliches Aroma aufweist und übrigens auch der einzige, der ein wenig nachgefärbt wird. Er ist nicht ganz so hell wie auf meinem Foto oben, hat einen sehr runden und leicht getreidigen Geruch, schmeckt leicht süßlich, etwas helle Birne, etwas Tannin. Insgesamt sehr mild und gut trinkbar. Den Preis finde ich mit 33,90 € für 0,5 Liter angemessen.
Fazit
Ich finde es toll zu sehen, wie man mit viel Ideen und Engagement einen alten Familienbetrieb wie die Fessler-Mühle in die Zukunft bringen kann. Der Whisky ist gut und ich freue mich, dass man das von immer mehr deutschen Brennern sagen kann.
Schaut doch mal bei einem der Tastings oder beim jährlichen Glencoe Swabian Whiskyday am 1. Juli 2023 in der Fessler-Mühle vorbei. Und einen Online-Shop haben sie natürlich auch.
Danke an Tobias Fessler für die ausführliche Führung und die Flasche!