Auf der diesjährigen Whisky Fair in Limburg hatte ich MargareteMarie vom Blog whiskyundfrauen getroffen und mich mit ihr angeregt über alles mögliche unterhalten. Dabei hat sie mich ganz nebenbei auf die Idee für einen Blogartikel gebracht. Kaum dass zwei Monate vergangen sind komme ich dann auch endlich dazu, mein Vorhaben in die Tat umzusetzen…
Wenn man mal eine Weile in der Whisky-Welt unterwegs ist und einige Tastings mitgemacht hat, beginnt man auch irgendwann mehr oder weniger professionelle Tasting-Notes zu verfassen. Dazu gibt es Hilfsmittel wie Aromenräder und Nosing Kits, die einem helfen, die technischen Grundlagen des Whiskys zu verstehen – welche Aromen entstehen bei welchem Schritt der Produktion und Lagerung, auf welchen chemischen Grundlagen basieren sie und wie nennt sie der Profi?
Das alles hilft einem als Anfänger tatsächlich, einen Whisky genauer zu analysieren und anhand des Geschmacks Rückschlüsse z.B. auf die Fassart zu ziehen oder auch Fehlnoten zu erkennen. Aber hilft es einem auch beim Genuss des Whiskys?
Die Erinnerung
Wenn man zu jedem probierten Whisky Tasting Notes verfasst, wenn man ihn benotet und in ein Heft (ja, ich bin in dieser Hinsicht noch analog unterwegs!), eine Whisky-App, oder in eine der Whisky-Communities einträgt, dann kann man diese Notizen auch Jahre später noch hervorkramen und sich an den Whisky erinnern.
Aber zur Erinnerung gehört noch mehr. In welcher Situation hattte man den Whisky verkostet? Alleine oder mit Freunden? Im lauten Irish Pub oder auf Islay am Strand? Nach einem guten Essen oder spätabends am Kaminfeuer? Das alles beeinflusst uns gewaltig und doch notieren wir uns meistens nur, ob wir Vanille, Früchte oder Torf geschmeckt haben.
Ich war zum Beispiel noch nie ein besonderer Fan von torfigem Whisky, vielleicht mit einer kleinen Schwäche für Laphroaig. Trotzdem habe ich 2008 die Chance ergriffen und bin mit einer Gruppe von (mehr oder weniger) Bekannten zum Feis Ile auf die Isle of Islay gefahren. Neun Tage lang Torf pur, neun Tage lang ein oder zwei Master Classes am Tag, Warehouse-Tastings und unzählige Flaschen, die wir abends in der Lodge geköpft haben.
Und irgendwie hat mir fast alles geschmeckt. Die rauhe Insel, der Torf auf den Feldern, die Seeluft, die ganze Atmosphäre des Festivals – etwas anderes als Torf hätte gar nicht gepasst! Ich trinke auch heute noch wenig torfigen Whisky, aber ab und an überkommt mich die Erinnerung und ich hole eine Flasche Laphroaig aus dem Schrank…
Der Haggis-Faktor
Habt Ihr schon mal Haggis gegessen? Ich kann mich an ein schönes Video auf YouTube erinnern, das ich leider nicht mehr finde. Dort hatte ein schottischer Koch in seiner Küche zu Hause Haggis von Grund auf selbst hergestellt. Angefangen damit, dass er Lunge und Luftröhre in einem großen Topf gekocht hat und dabei die Luftröhre zappelnd über dem Topfrand heraus hing, mit dem Kommentar, dass sie nur ganz leicht durch die Hitze garen darf, weil sie sonst zu zäh wird. Den Rest erspare ich Euch.
Manchmal will man gar nicht wissen, was man da im Teller oder im Glas hat. Zu viele Details können einen auch davon ablenken, worum es eigentlich geht – den Geschmack. Wenn man unvoreingenommen probiert und gar nicht weiß, wovon der eine oder andere Nebengeschmack kommt, dann schmeckt es einem vielleicht einfach und man denkt nicht sofort an Fehlnoten, alte Fässer, Seife, Veilchen-Parfüm oder eben die Innereien von Schafen. Und mit genügend Whisky schmeckt fast alles.
Der Un-Sinn
Habt ihr schon mal ein Blindtasting mitgemacht? Ich war bei unzähligen als Teilnehmer dabei und habe auch schon selbst welche veranstaltet. Es ist jedes Mal ein Heidenspaß, wenn gestandene Profis (oder solche, die sich dafür halten) einen Lowlander auf die Isle of Islay verfrachten, eine Fassstärke mit „ein paar Prozent mehr würden ihm gut tun“ kommentieren oder Stein und Bein schwören, dass das ex-Bourbon-Fass noch literweise Sherry enthalten haben muss. Besonders fies wird die Übung, wenn man blaue Gläser verwendet.
Unsere Sinne arbeiten zusammen. Normalerweise riechen wir erst einmal am Glas, dann erst trinken wir. Schon dadurch ist der Geschmackssinn nicht mehr unvoreingenommen. Beim zweiten Schluck schon erst recht nicht mehr. Und warum auch? Mit jedem Riechen, mit jedem Schluck entdecken wir mehr vom Whisky und können ihn mehr genießen. Ein Mensch ist schließlich kein Sensor. Und wie oben schon beschrieben tut die Umgebung, die Gesellschaft und die Erinnerung ihr Übriges.
Der Preis-Faktor
Ich habe mir zu meinem 45. Geburtstag einen völlig un-sinnigen Whisky geleistet. Ich finde ihn wirklich gut, keine Frage. Aber bei jedem verdammten Schluck spukt mir der Preis im Hinterkopf herum und das schlechte Gewissen meldet sich. Wüsste ich den Preis nicht, könnte ich ihn vollkommen genießen. Weiß zufällig jemand, wo man diese Blitzdings-Dinger aus „Man in Black“ bekommt? Vielleicht muss ich auch einfach nur mehr davon trinken…
Um zu(m) Punkt(en) zu kommen…
Langer Artikel, kurzer Sinn: Lasst Euch den Genuss am Whisky nicht verderben. Nicht durch die Tasting-Notes von anderen, nicht durch die Bewertung von jemand anderem, nicht durch den Preis oder was auch immer. Probiert was ihr kriegen könnt und bildet Euch Eure eigene Meinung. Und wenn diese völlig von anderen abweicht, dann kauft Euch so viele Flaschen davon wie ihr könnt – bevor jemand anderes auch auf den Geschmack kommt und Ihr Euch den Whisky nicht mehr leisten könnt!
1 Kommentar zu “Whisky analysieren oder Whisky genießen?”