Seit Mai 1895 verkaufen die Firmengründer James Gordon und John Alexander MacPhail in Elgin Lebensmittel, darunter Tee, Wein und Spirituosen. Einer ihrer ersten Beschäftigten war der vierzehnjährige Lehrling John Urquart, der später Geschäftsführer und Eigentümer des Unternehmens in der South Street werden sollte. Nach dem Tod von James Gordon im Jahre 1915 führte der zum Senior Partner aufgestiegene Urquart den Kommissionshandel mit schottischen Whiskys fort. Sein Mentor hatte sich früh auf den nationalen und internationalen Vertrieb von Single Malts spezialisiert. Eichenholzfässer gab es genug, denn der Import von Weinen, darunter Madeira und Sherry, florierte und legte den Gedanken nahe, diese mit frischen Malt Spirits in den Distilleries direkt zu befüllen. Brennereien wie Ardmore, Dallas Dhu, Macallan, The Glenlivet, Glenburgie, Glen Grant, Glentauchers, Imperial, Inerleven, Linkwood, Longmorn, Miltonduff, Mortlach, Pulteney, Scapa oder Strahisla beschickten die Fässer und beauftragten Gordon & MacPhail mit dem Vertrieb der Flaschen unter dem jeweiligen Destillerie-Namen. In der damaligen Zeit verfügten viele Brennereien nicht über ein eigenes Vertriebssystem. Ihre Single Malt Whiskys lieferten sie in Fässern vorwiegend an die Blender in Glasgow, Leith oder Perth.
The wood makes the whisky
„The wood makes the whisky,“ lautet der Titel der aktuellen Kampagne. Gordon & MacPhail (G&M) erkannte sehr früh die magische Wirkung des Eichenholzes auf die Reifung eines Malts. Im Gegensatz zu den damaligen Gepflogenheiten der Whisky-Blender und ‑Bonder reiften ihre Whiskys über mehrere Jahre im Fass, was den guten Ruf der Independent Bottlers über Generationen förderte. Bis zum Bau eigener Warehouses in den 1960er Jahren lagerten die Single Malts zunächst in Lagerhäusern der Destillerien, um dann gegebenenfalls in Elgin an der Blackfriars Road über viele weitere Jahre eine finale aromatische Prägung zu erhalten. So liegen beispielsweise heute noch Gordon & MacPhail-Fässer in der Glen Grant Distillery. Von Anbeginn ihres Weinhandels importierten die Händler Fässer mit Oloroso- oder Pedro Ximenez-Sherries aus Andalusien, um sie in Schottland in Flaschen zu füllen und im Vereinigten Königreich sowie den Kolonien zu vermarkten. „Der kontinuierliche Nachschub von frischen Fässern war für die Reifung unserer Whiskies einfach ideal,“ erklärt Stephen Rankin, Sales Director und Mitglied der Eigentümerfamilie Urquart. Nachdem der Consejo Regulador de Jerez-Xérès 1981 die bis dahin übliche Ausfuhr von Sherry in Fässern untersagte, blieb die regelmäßige Versorgung mit teilweise sehr alten Bodega Butts oder speziell nur für den Transport des Sherrys gefertigten Fässern aus. Rankin betont:
„Die über Generationen gewachsenen Handelsbeziehungen zu den großen Bodegas blieben allerdings bestehen, sodass wir heute immer wieder handverlesene Sherry-Fässer von unseren langjährigen Freunden und Partnern erhalten.“
Der Anteil der Bourbon-Fässer ist nach dem Ende der amerikanischen Prohibition allerdings auch bei G&M ständig gestiegen.
In der eigenen Anlage in Elgin werden die Whiskys sorgsam abgefüllt. Die Rare Vintage Whiskys werden jedoch sehr schonend bei nicht allzu niedrigen Temperaturen kühlgefiltert. „Wasser ist die einzige Zugabe, daher ist die Farbe in der Flasche die Natürliche,“ erklärt Stephen Rankin. Vor der Abfüllung wird der Single Malt mit demineralisiertem sowie deionisiertem, also voll entsalztem Wasser auf die gewünschte Flaschenfüllstärke reduziert. Er darf danach für zehn Tage in einem Marrying Vessel zusammenwachsen, ein Verfahren wie es Gordon & Macphail seit mehr als fünfzig Jahre praktiziert.
In der Rare Vintage Series werden die Single Malts in der Regel mit einer Alkoholstärke von 40 Volumenprozent abgefüllt. Auf den Etiketten wird die Höhe der limitierten Auflage nicht angegeben. Die Flaschen ziert ein viktorianisches Label, wie es wohl zu Zeiten der Brennereigründer John und James Grant üblich war. Die Brüder sitzen in ihrem Highland Dress gekleidet neben einem Whisky-Fass, der eine geschmückt mit einem Balmoral Bonnet und einem Jagdgewehr, während sich der andere mit einem Glengarry Bonnet mit Osprey Feathers sowie Schild und Schwert zeigt. Genüsslich nippen die stolzen Whisky-Barone an ihren Glen Grantwee drams.
Der Gehaltvolle
wurde 1948 destilliert und am 13. Mai 2014 abgefüllt. Zur Erinnerung: Es war das Jahr in dem Mahatma Gandhi einem Attentat zum Opfer fiel und HRH Prince Charles auf die Welt kam. George Urquart ließ 1948, wie es traditionell bei G&M üblich war, in der Glen Grant Distillery einen New Make in die von ihm ausgewählten Oloroso-Sherry-Fässer füllen. James Grants Enkel Douglas Mackessack hatte den Spirit aus einem in der Brennerei selbst gedarrten Gerstenmalz in kohlebefeuerten Kesseln gebrannt. Der Rummager in den Wash Stills wurde sogar noch von einem Mühlrad angetrieben. Der Spirit kondensierte in riesigen wassergekühlten Kupferrohrschlangen der gusseisernen Wormtubs:
“The character of whisky is determined not by the purity of the spirit manufactured, but by the impurities left in the spirit.”
Im Glas leuchtet ein funkelnder Bernstein. Ehrfurchtsvoll erfährt die Nase eine 65jährige Provenienz. Welche Fülle, welche Kraft, welch ein Körper! Opulente süße Düfte erinnern an Sherry, dunkle Früchte, Mandeln, Nüsse, Zimt und weitere Gewürze. Es folgt ein Anflug von Tabak, trockenem Holz sowie Rauch. Die Aromen sind vielschichtig und intensiv.
Das Vatting aus zwei first-fill Sherry Butts (je 500 l, destilliert am 10. April 1948) sowie einem first-fill Sherry Hogshead (250 l, destilliert am 11. Juni 1948) präsentiert ein harmonisch ausgewogenes Früchtekompott aus reifen Pflaumen, Äpfeln und Birnen sowie Bitterorangen. Faszinierend ist das überraschende Wechselspiel zwischen Frucht und Rauch. Auf der Zunge eröffnet eine fruchtige Süße den Genuss, eine frische Zitrus-Anmutung führt in eine lang anhaltende Würzigkeit, die sich ihrerseits langsam in eine dunkle zartbittere Schokolade wandelt und dabei weiterhin von dezenten Raucheindrücken begleitet wird. Trotz des außergewöhnlich hohen Alters verkosten wir hier einen erstaunlich frischen und geschmacksintensiven, körperreichen, würzigen Whisky mit intensiven, aber nicht allzu dominierenden Sherry-Noten. Der Old Ager ist ein voluminöser, vollmundiger, sehr vielschichtiger und dennoch sehr ausgewogener harmonischer Whisky, dessen Erscheinung durch seine lange Reifezeit im Fass nicht abträglich mit allzu potenten bitteren Noten belastet wird. Im leeren Glas bleiben Düfte von karamellisiertem Waldhonig, Leder und trockenem Holz lange bestehen. Die Zugabe von Wasser ist nicht zu empfehlen.
Nur 465 Flaschen wurden mit 40 Volumenprozent starkem Alkohol abgefüllt. Dieser Whisky sollte mit wahren Freunden in einer wertigen Atmosphäre genossen werden. Es wäre schade, wenn er in einem Sammlerregal zu einer Ikone reduziert würde.
Preis: über 2500,- Euro.
Der Sherry-Typ
wurde 1958 destilliert und 2015 abgefüllt. Im Destillationsjahr schaffte man in der DDR die Lebensmittelkarten ab und Elvis Presley kam zum Militärdienst nach Friedberg in den Taunus. 57 Jahre verweilte der Whisky in first-fill Sherry-Fässern, deren Größe nicht benannt wird. „Leider können wir heute bei unseren alten Sherry-Fässern nicht mehr sagen, ob es sich um ein Bodega Butt oder Export Butt handelt,“ erklärt Stephen Ranking. Mit großem Respekt begegnet die Nase vorsichtig in das Glas eintauchend dem mahagonifarben schimmernden Malt. Eine erstaunliche Frische verblüfft, Leder dominiert. Reife Äpfel und Birnen verbandeln sich mit typischen Sherry-Aromen sowie floralen Düften. Die Süße überrascht, sie erinnert an Malz-Sahne-Bonbons der Kindheit. Weich und samtig gleitet der Malt mittellang anhaltend abwärts. Die pfeffrige Würzigkeit, bedingt durch die Tannine des getoasteten Eichenholzes, bleibt erhalten. Eine gewisse Adstringenz und deren dezente Bitterkeit hallen lange nach. Leider ist diese Ausgabe nur in Großbritannien erhältlich. Für den Weltmarkt erscheinen andere Abfüllungen. Der Preis liegt bei 1000,- Euro.
Der Frische
wurde 1961 destilliert und am 12. Dezember 2014 abgefüllt. Als der New Make aus dem eigenen Malz durch den Spirit Safe sprudelte stand die Berliner Mauer bereits drei Monate und Alan Shepard war nach Juri Gagarin der zweite Mensch im All. 53 Jahre dauerte es bis dieser Whisky aus einem 500 Liter großen first-fill Sherry Butt in 529 Flaschen floss. Destilliert wurde er am 25. Dezember 1961. Die dunkle Farbe mit leicht rötlichen Reflexen könnte im Glas einen Oloroso Sherry andeuten. Vielschichtige kräftige Aromen aus einem Korb mit reifen Früchten und gerösteten Haselnüssen dringen vehement in die Nase. Es erscheinen dezente Holznoten begleitet von Karamell, Marzipan und dunklem Sherry. Sie hinterlassen einen floralen, fast parfümartigen Eindruck. Den weichen, samtigen Whisky ergänzen wohltuende Eindrücke einer zartbitteren „Herren-Schokolade“. Wegen der auffälligen Orangen- und Grapefruitnoten wirkt er frischer als seine älteren Brüder. Der subtile Rauch gefällt. Die Würzigkeit mit ihren Pfeffernoten fasziniert. Beide Komponenten machen diesen Whisky sehr spannend und höchst interessant. Bittere, adstringierende Eindrücke bleiben aus. Das Holz der Dauben muss wohl von einer sehr alten Eiche mit engen Jahresringen stammen. Ein erstaunlich frischer, dennoch komplexer Geist provoziert viele differenzierte Sinneseindrücke. Der für einen Glen Grant typische Charakter flammt auf. Fruchtige Aromen von Johannisbeeren vermischen sich anhaltend mit denen von gerösteten Haselnüssen und Kaffeebohnen sowie einer dunklen Schokolade. Ein Favorit! Der Preis liegt bei 850,- Euro.
Das Bourbon-Sherry-Medley
wurde 1966 destilliert und am 16. Juli 2012 abgefüllt. Fußballfans erinnern sich. In London fiel das berühmte Wembley-Tor. Dennis Malcolm hatte seine Lehrzeit in Glen Grants Küferei beendet. Noch immer kam das Malz aus der eigenen Mälzerei und die Spirits aus den alten per Hand kohlebefeuerten Brennblasen mit ihren Purifiern. 45 Jahre kommunizierte der Gerstenspirit mit dem Eichenholz in fünf verschiedenen Fässern. Der ältere New Make wurde am 4. Mai 1966 gebrannt und in 250 Liter große American Hogsheads (zwei refill Fässer und ein first-fill Fass) gefüllt, während der am 3. Oktober 1966 destillierte Getreidebrand in ein frisches Sherry Butt gegeben wurde. Schließlich reifte ein am 28. Dezember 1966 destillierter Spirit in einem amerikanischen refill Hogshead. Verheiratet wurden die Malts aus den verschiedenen Fässern nach der Gordon & MacPhail-Methode in einem Marrying Vessel. 1121 Flaschen mit einer Alkoholstärke von 40 Volumenprozent werden weltweit angeboten.
Im Glas leuchtet ein dunkles Gold, ein durchaus bekannter Farbton wie bei Export Bier. Frisch strömen die dezenten Aromen aus Mandeln, gebackenen Äpfeln und Crème Caramel in die Nase. Süße, Vanille und Zimt paaren sich mit Aromen von hellen reifen Früchten und Blumen. Auf der Zunge entfalten sich zarte rauchige Eindrücke, die von den verkohlten Dauben der Bourbon Fässer stammen. Düfte von Melone, Backapfel, Zimt und Nüssen werden prominenter. Ein Hauch von Tabak erscheint. Einige würzige Noten treten allmählich stärker in den Vordergrund. Diese sensorische Wirkung ist das Ergebnis des langjährigen Zusammenspiels von Tanninen der getoasteten Eiche des Sherry Butts mit dem Gerstenbrand. Der Alkohol bewirkte die allmähliche Lösung der Gerbstoffe, die mit den Säuren des New Make unter der Einwirkung von Sauerstoff zu neuen aromatischen und geschmacklichen Verbindungen reagierten. Es öffnet sich ein vielschichtiger Glen Grant mit angenehmen Überraschungen, dessen Profil durch die Zugabe von etwas Wasser weitere neue Eindrücke von Himbeeren oder saftigen Birnen hervor bringt. Der Preis liegt zwischen 600,- und 880,- Euro
Fazit
Trotz ihres hohen Alters und der damit verbundenen langen Reifezeit in Eichenholzfässern erscheinen die Glen Grant Single Malts der Gordon & MacPhail Rare Vintage Series erstaunlich frisch und extrem aromatisch. Sie überwältigen mit ihrer aromatischen Fülle und deren Intensität. Die Whiskys zeigen keinerlei Anzeichen von Ermüdung oder Überlagerung durch das Eichenholz. Die Aromen, der Geschmack sowie der Alkohol sind begeisternd vielschichtig strukturiert und harmonisch ausbalanciert. Subtiler Rauch verstärkt die Faszination. Bei Zweien blitzt sogar der Brennerei-Charakter hervor. Die individuell dosierte Zugabe von Wasser mag das Spektrum des Genusses vergrößern, aber nicht in jedem Fall. Wohltuend ist, dass diese seltenen und auserlesenen Juwele keiner Double Maturation ausgesetzt und damit in ihrer altersspezifischen Reifequalität nicht abträglich verändert wurden. Diese Glen Grants sollten auf jeden Fall goutiert werden.
Wünschenswert wäre allerdings eine Abfüllung mit 46 Volumenprozent und keine Kühlfiltrierung, um so die gesamte Kraft der Aromen und des Geschmacks der außergewöhnlichen und höchst seltenen Single Malts in ihrer Natürlichkeit vollständig zu erhalten.
Für den Autor ist es ein Privileg, die kostbaren Glen Grant Single Malts der RareVintage Series in einer außergewöhnlichen Parallelverkostung zu begutachten.
Wir danken Christoph Kirsch von The House of Whiskies für die Bereitstellung der Proben und Gordon & MacPhail für die detaillierte Information. Abfüllungen der Rare Vintage Series können im gut sortierten Fachhandel erworben werden.
Text und Fotos von Ernie – Ernst J. Scheiner, The Gateway to Distilleries
Seit Mai 1895 verkaufen die Firmengründer James Gordon und John Alexander MacPhail in Elgin Lebensmittel, darunter Tee, Wein und Spirituosen. Einer ihrer ersten Beschäftigten war der vierzehnjährige Lehrling John Urquart, der später Geschäftsführer und Eigentümer des Unternehmens in der South Street werden sollte. Nach dem Tod von James Gordon im Jahre 1915 führte der zum Senior Partner aufgestiegene Urquart den Kommissionshandel mit schottischen Whiskys fort. Sein Mentor hatte sich früh auf den nationalen und internationalen Vertrieb von Single Malts spezialisiert. Eichenholzfässer gab es genug, denn der Import von Weinen, darunter Madeira und Sherry, florierte und legte den Gedanken nahe, diese mit frischen Malt Spirits in den Distilleries direkt zu befüllen. Brennereien wie Ardmore, Dallas Dhu, Macallan, The Glenlivet, Glenburgie, Glen Grant, Glentauchers, Imperial, Inerleven, Linkwood, Longmorn, Miltonduff, Mortlach, Pulteney, Scapa oder Strahisla beschickten die Fässer und beauftragten Gordon & MacPhail mit dem Vertrieb der Flaschen unter dem jeweiligen Destillerie-Namen. In der damaligen Zeit verfügten viele Brennereien nicht über ein eigenes Vertriebssystem. Ihre Single Malt Whiskys lieferten sie in Fässern vorwiegend an die Blender in Glasgow, Leith oder Perth.
The wood makes the whisky
„The wood makes the whisky,“ lautet der Titel der aktuellen Kampagne. Gordon & MacPhail (G&M) erkannte sehr früh die magische Wirkung des Eichenholzes auf die Reifung eines Malts. Im Gegensatz zu den damaligen Gepflogenheiten der Whisky-Blender und ‑Bonder reiften ihre Whiskys über mehrere Jahre im Fass, was den guten Ruf der Independent Bottlers über Generationen förderte. Bis zum Bau eigener Warehouses in den 1960er Jahren lagerten die Single Malts zunächst in Lagerhäusern der Destillerien, um dann gegebenenfalls in Elgin an der Blackfriars Road über viele weitere Jahre eine finale aromatische Prägung zu erhalten. So liegen beispielsweise heute noch Gordon & MacPhail-Fässer in der Glen Grant Distillery. Von Anbeginn ihres Weinhandels importierten die Händler Fässer mit Oloroso- oder Pedro Ximenez-Sherries aus Andalusien, um sie in Schottland in Flaschen zu füllen und im Vereinigten Königreich sowie den Kolonien zu vermarkten. „Der kontinuierliche Nachschub von frischen Fässern war für die Reifung unserer Whiskies einfach ideal,“ erklärt Stephen Rankin, Sales Director und Mitglied der Eigentümerfamilie Urquart. Nachdem der Consejo Regulador de Jerez-Xérès 1981 die bis dahin übliche Ausfuhr von Sherry in Fässern untersagte, blieb die regelmäßige Versorgung mit teilweise sehr alten Bodega Butts oder speziell nur für den Transport des Sherrys gefertigten Fässern aus. Rankin betont:
Der Anteil der Bourbon-Fässer ist nach dem Ende der amerikanischen Prohibition allerdings auch bei G&M ständig gestiegen.
In der eigenen Anlage in Elgin werden die Whiskys sorgsam abgefüllt. Die Rare Vintage Whiskys werden jedoch sehr schonend bei nicht allzu niedrigen Temperaturen kühlgefiltert. „Wasser ist die einzige Zugabe, daher ist die Farbe in der Flasche die Natürliche,“ erklärt Stephen Rankin. Vor der Abfüllung wird der Single Malt mit demineralisiertem sowie deionisiertem, also voll entsalztem Wasser auf die gewünschte Flaschenfüllstärke reduziert. Er darf danach für zehn Tage in einem Marrying Vessel zusammenwachsen, ein Verfahren wie es Gordon & Macphail seit mehr als fünfzig Jahre praktiziert.
In der Rare Vintage Series werden die Single Malts in der Regel mit einer Alkoholstärke von 40 Volumenprozent abgefüllt. Auf den Etiketten wird die Höhe der limitierten Auflage nicht angegeben. Die Flaschen ziert ein viktorianisches Label, wie es wohl zu Zeiten der Brennereigründer John und James Grant üblich war. Die Brüder sitzen in ihrem Highland Dress gekleidet neben einem Whisky-Fass, der eine geschmückt mit einem Balmoral Bonnet und einem Jagdgewehr, während sich der andere mit einem Glengarry Bonnet mit Osprey Feathers sowie Schild und Schwert zeigt. Genüsslich nippen die stolzen Whisky-Barone an ihren Glen Grant wee drams.
Der Gehaltvolle
wurde 1948 destilliert und am 13. Mai 2014 abgefüllt. Zur Erinnerung: Es war das Jahr in dem Mahatma Gandhi einem Attentat zum Opfer fiel und HRH Prince Charles auf die Welt kam. George Urquart ließ 1948, wie es traditionell bei G&M üblich war, in der Glen Grant Distillery einen New Make in die von ihm ausgewählten Oloroso-Sherry-Fässer füllen. James Grants Enkel Douglas Mackessack hatte den Spirit aus einem in der Brennerei selbst gedarrten Gerstenmalz in kohlebefeuerten Kesseln gebrannt. Der Rummager in den Wash Stills wurde sogar noch von einem Mühlrad angetrieben. Der Spirit kondensierte in riesigen wassergekühlten Kupferrohrschlangen der gusseisernen Wormtubs:
Im Glas leuchtet ein funkelnder Bernstein. Ehrfurchtsvoll erfährt die Nase eine 65jährige Provenienz. Welche Fülle, welche Kraft, welch ein Körper! Opulente süße Düfte erinnern an Sherry, dunkle Früchte, Mandeln, Nüsse, Zimt und weitere Gewürze. Es folgt ein Anflug von Tabak, trockenem Holz sowie Rauch. Die Aromen sind vielschichtig und intensiv.
Das Vatting aus zwei first-fill Sherry Butts (je 500 l, destilliert am 10. April 1948) sowie einem first-fill Sherry Hogshead (250 l, destilliert am 11. Juni 1948) präsentiert ein harmonisch ausgewogenes Früchtekompott aus reifen Pflaumen, Äpfeln und Birnen sowie Bitterorangen. Faszinierend ist das überraschende Wechselspiel zwischen Frucht und Rauch. Auf der Zunge eröffnet eine fruchtige Süße den Genuss, eine frische Zitrus-Anmutung führt in eine lang anhaltende Würzigkeit, die sich ihrerseits langsam in eine dunkle zartbittere Schokolade wandelt und dabei weiterhin von dezenten Raucheindrücken begleitet wird. Trotz des außergewöhnlich hohen Alters verkosten wir hier einen erstaunlich frischen und geschmacksintensiven, körperreichen, würzigen Whisky mit intensiven, aber nicht allzu dominierenden Sherry-Noten. Der Old Ager ist ein voluminöser, vollmundiger, sehr vielschichtiger und dennoch sehr ausgewogener harmonischer Whisky, dessen Erscheinung durch seine lange Reifezeit im Fass nicht abträglich mit allzu potenten bitteren Noten belastet wird. Im leeren Glas bleiben Düfte von karamellisiertem Waldhonig, Leder und trockenem Holz lange bestehen. Die Zugabe von Wasser ist nicht zu empfehlen.
Nur 465 Flaschen wurden mit 40 Volumenprozent starkem Alkohol abgefüllt. Dieser Whisky sollte mit wahren Freunden in einer wertigen Atmosphäre genossen werden. Es wäre schade, wenn er in einem Sammlerregal zu einer Ikone reduziert würde.
Preis: über 2500,- Euro.
Der Sherry-Typ
wurde 1958 destilliert und 2015 abgefüllt. Im Destillationsjahr schaffte man in der DDR die Lebensmittelkarten ab und Elvis Presley kam zum Militärdienst nach Friedberg in den Taunus. 57 Jahre verweilte der Whisky in first-fill Sherry-Fässern, deren Größe nicht benannt wird. „Leider können wir heute bei unseren alten Sherry-Fässern nicht mehr sagen, ob es sich um ein Bodega Butt oder Export Butt handelt,“ erklärt Stephen Ranking. Mit großem Respekt begegnet die Nase vorsichtig in das Glas eintauchend dem mahagonifarben schimmernden Malt. Eine erstaunliche Frische verblüfft, Leder dominiert. Reife Äpfel und Birnen verbandeln sich mit typischen Sherry-Aromen sowie floralen Düften. Die Süße überrascht, sie erinnert an Malz-Sahne-Bonbons der Kindheit. Weich und samtig gleitet der Malt mittellang anhaltend abwärts. Die pfeffrige Würzigkeit, bedingt durch die Tannine des getoasteten Eichenholzes, bleibt erhalten. Eine gewisse Adstringenz und deren dezente Bitterkeit hallen lange nach. Leider ist diese Ausgabe nur in Großbritannien erhältlich. Für den Weltmarkt erscheinen andere Abfüllungen. Der Preis liegt bei 1000,- Euro.
Der Frische
wurde 1961 destilliert und am 12. Dezember 2014 abgefüllt. Als der New Make aus dem eigenen Malz durch den Spirit Safe sprudelte stand die Berliner Mauer bereits drei Monate und Alan Shepard war nach Juri Gagarin der zweite Mensch im All. 53 Jahre dauerte es bis dieser Whisky aus einem 500 Liter großen first-fill Sherry Butt in 529 Flaschen floss. Destilliert wurde er am 25. Dezember 1961. Die dunkle Farbe mit leicht rötlichen Reflexen könnte im Glas einen Oloroso Sherry andeuten. Vielschichtige kräftige Aromen aus einem Korb mit reifen Früchten und gerösteten Haselnüssen dringen vehement in die Nase. Es erscheinen dezente Holznoten begleitet von Karamell, Marzipan und dunklem Sherry. Sie hinterlassen einen floralen, fast parfümartigen Eindruck. Den weichen, samtigen Whisky ergänzen wohltuende Eindrücke einer zartbitteren „Herren-Schokolade“. Wegen der auffälligen Orangen- und Grapefruitnoten wirkt er frischer als seine älteren Brüder. Der subtile Rauch gefällt. Die Würzigkeit mit ihren Pfeffernoten fasziniert. Beide Komponenten machen diesen Whisky sehr spannend und höchst interessant. Bittere, adstringierende Eindrücke bleiben aus. Das Holz der Dauben muss wohl von einer sehr alten Eiche mit engen Jahresringen stammen. Ein erstaunlich frischer, dennoch komplexer Geist provoziert viele differenzierte Sinneseindrücke. Der für einen Glen Grant typische Charakter flammt auf. Fruchtige Aromen von Johannisbeeren vermischen sich anhaltend mit denen von gerösteten Haselnüssen und Kaffeebohnen sowie einer dunklen Schokolade. Ein Favorit! Der Preis liegt bei 850,- Euro.
Das Bourbon-Sherry-Medley
wurde 1966 destilliert und am 16. Juli 2012 abgefüllt. Fußballfans erinnern sich. In London fiel das berühmte Wembley-Tor. Dennis Malcolm hatte seine Lehrzeit in Glen Grants Küferei beendet. Noch immer kam das Malz aus der eigenen Mälzerei und die Spirits aus den alten per Hand kohlebefeuerten Brennblasen mit ihren Purifiern. 45 Jahre kommunizierte der Gerstenspirit mit dem Eichenholz in fünf verschiedenen Fässern. Der ältere New Make wurde am 4. Mai 1966 gebrannt und in 250 Liter große American Hogsheads (zwei refill Fässer und ein first-fill Fass) gefüllt, während der am 3. Oktober 1966 destillierte Getreidebrand in ein frisches Sherry Butt gegeben wurde. Schließlich reifte ein am 28. Dezember 1966 destillierter Spirit in einem amerikanischen refill Hogshead. Verheiratet wurden die Malts aus den verschiedenen Fässern nach der Gordon & MacPhail-Methode in einem Marrying Vessel. 1121 Flaschen mit einer Alkoholstärke von 40 Volumenprozent werden weltweit angeboten.
Im Glas leuchtet ein dunkles Gold, ein durchaus bekannter Farbton wie bei Export Bier. Frisch strömen die dezenten Aromen aus Mandeln, gebackenen Äpfeln und Crème Caramel in die Nase. Süße, Vanille und Zimt paaren sich mit Aromen von hellen reifen Früchten und Blumen. Auf der Zunge entfalten sich zarte rauchige Eindrücke, die von den verkohlten Dauben der Bourbon Fässer stammen. Düfte von Melone, Backapfel, Zimt und Nüssen werden prominenter. Ein Hauch von Tabak erscheint. Einige würzige Noten treten allmählich stärker in den Vordergrund. Diese sensorische Wirkung ist das Ergebnis des langjährigen Zusammenspiels von Tanninen der getoasteten Eiche des Sherry Butts mit dem Gerstenbrand. Der Alkohol bewirkte die allmähliche Lösung der Gerbstoffe, die mit den Säuren des New Make unter der Einwirkung von Sauerstoff zu neuen aromatischen und geschmacklichen Verbindungen reagierten. Es öffnet sich ein vielschichtiger Glen Grant mit angenehmen Überraschungen, dessen Profil durch die Zugabe von etwas Wasser weitere neue Eindrücke von Himbeeren oder saftigen Birnen hervor bringt. Der Preis liegt zwischen 600,- und 880,- Euro
Fazit
Trotz ihres hohen Alters und der damit verbundenen langen Reifezeit in Eichenholzfässern erscheinen die Glen Grant Single Malts der Gordon & MacPhail Rare Vintage Series erstaunlich frisch und extrem aromatisch. Sie überwältigen mit ihrer aromatischen Fülle und deren Intensität. Die Whiskys zeigen keinerlei Anzeichen von Ermüdung oder Überlagerung durch das Eichenholz. Die Aromen, der Geschmack sowie der Alkohol sind begeisternd vielschichtig strukturiert und harmonisch ausbalanciert. Subtiler Rauch verstärkt die Faszination. Bei Zweien blitzt sogar der Brennerei-Charakter hervor. Die individuell dosierte Zugabe von Wasser mag das Spektrum des Genusses vergrößern, aber nicht in jedem Fall. Wohltuend ist, dass diese seltenen und auserlesenen Juwele keiner Double Maturation ausgesetzt und damit in ihrer altersspezifischen Reifequalität nicht abträglich verändert wurden. Diese Glen Grants sollten auf jeden Fall goutiert werden.
Wünschenswert wäre allerdings eine Abfüllung mit 46 Volumenprozent und keine Kühlfiltrierung, um so die gesamte Kraft der Aromen und des Geschmacks der außergewöhnlichen und höchst seltenen Single Malts in ihrer Natürlichkeit vollständig zu erhalten.
Für den Autor ist es ein Privileg, die kostbaren Glen Grant Single Malts der Rare Vintage Series in einer außergewöhnlichen Parallelverkostung zu begutachten.
Wir danken Christoph Kirsch von The House of Whiskies für die Bereitstellung der Proben und Gordon & MacPhail für die detaillierte Information. Abfüllungen der Rare Vintage Series können im gut sortierten Fachhandel erworben werden.