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Schwarzwälder Whisky – Der EMILL aus der Scheibel Mühle in Kappelrodeck

Die Obst­schnäp­se und Likö­re der Emil Schei­bel Schwarz­wald-Bren­ne­rei aus Kap­pel­ro­deck sind zumin­dest bei uns im Süden wohl­be­kannt. Weni­ger bekannt ist, dass seit vier Jah­ren auch eine Whis­ky-Bren­ne­rei in der lie­be­voll restau­rier­ten Schei­bel Müh­le, nur weni­ge Meter vom Haupt­haus ent­fernt existiert.

Frü­her wur­de dort Getrei­de gemah­len, seit 2014 wird mit viel Lei­den­schaft und Zeit feins­ter Whis­ky gebrannt. Am 16. Juli 2018 wur­de die Schei­bel Müh­le dann eröff­net und unter einem Dach wird der Whis­ky dort pro­du­ziert, gela­gert und ver­kauft und kann natür­lich auch ver­kös­tigt wer­den, ob an der „Markt­platz“ genann­ten Ver­kaufs­the­ke oder bei einem der haus­ei­ge­nen Tasting-Events.

Die Fir­ma Schei­bel hat­te mich ein­ge­la­den, die Müh­le bei einer pri­va­ten Füh­rung zu besich­ti­gen und am 30.10.2018 war es dann soweit. Bei typisch schot­ti­schem Wet­ter habe ich mich auf den Weg in den Schwarz­wald gemacht und wur­de von Brenn­meis­ter Frank Blech­schmidt höchst­per­sön­lich durch das Gebäu­de geführt.

Der Whis­ky heißt übri­gens EMILL, ein Kunst­wort aus dem Vor­na­men des Fir­men­grün­ders Emil Schei­bel und dem eng­li­schen „mill“ für Müh­le. Auch das Logo der Schei­bel Müh­le ist inter­es­sant, die bei­den Krei­se ste­hen für den Mahl­stein und das Mühl­rad, die 7 für die Haus­num­mer, unter der die Fir­ma ihren Anfang nahm und heu­te noch steht.

Die ers­te Über­ra­schung beginnt gleich im Erd­ge­schoss. Dort ste­hen drei Brenn­bla­sen, die bis auf die Grö­ße sehr den schot­ti­schen Pot Stills ähneln. Das ist bei wei­tem nicht in jeder deut­schen Bren­ne­rei so, ganz im Gegen­teil. Meis­tens wird auf Kolon­nen­an­la­gen gebrannt, bei denen meh­re­re Kam­mern im Hals oder in einer sepa­ra­ten Kolon­ne das Destil­lat in einem Brenn­vor­gang mehr­fach bren­nen und das meis­tens auch noch auf einen viel zu hohen Alko­hol­ge­halt. Auch wenn das Destil­lat nur zu einem Drit­tel zum spä­te­ren Geschmack bei­trägt, so ist es doch die Grund­la­ge für die Rei­fung im Fass. Und wenn die­se Grund­la­ge schon nicht stimmt, dann kann auch mit der bes­ten Rei­fung nichts dabei herauskommen.

Die bei­den Brenn­bla­sen rechts sind die Wash Stills, in denen die Mai­sche den ers­ten Brenn­durch­gang durch­läuft. Nach einer Ruhe­pha­se wird der ers­te Brand dann auf der lin­ken Sprit Still auf die end­gül­ti­ge Stär­ke gebracht. Der Hals ist dabei leicht auf­stei­gend so ange­ord­net, dass sich die idea­le Stär­ke ergibt und das Destil­lat ohne Ver­dün­nung und nach einer wei­te­ren Ruhe­pha­se direkt in die Fäs­ser gefüllt wer­den kann. Alle drei Brenn­bla­sen haben rund 1000 Liter Fas­sungs­ver­mö­gen. Beson­ders schön fin­de ich als klei­nes Detail das Mühl­rad, über das das Destil­lat in den Spi­rit Safe läuft.

Nach dem Bren­nen ruht der New Make für 48 Stun­den in einem 2000 Liter fas­sen­den Eichen­tank zur Vor­rei­fung. Von dort sorgt allein die Schwer­kraft für die Abfül­lung in die Fäs­ser, die anschlie­ßend auf vier Stock­wer­ken im sel­ben Gebäu­de lagern und zum Schluss ver­mählt und noch ein­mal nach­ge­reift wer­den. Wor­in genau, bleibt das Geheim­nis der Destil­le­rie und da die Fäs­ser außen abge­schlif­fen wur­den, kann man es auch nicht erkennen.

Die vier Eta­gen des Gebäu­des wur­den zum Teil mit Böden aus Metall­git­tern ver­se­hen, so dass sich im gesam­ten Gebäu­de ein Kamin-Effekt ergibt, ähn­lich wie in den Bour­bon-Warehou­ses in den USA. Unten strömt kal­te Luft ein, erwärmt sich und steigt nach oben, wodurch im gesam­ten Gebäu­de ein Luft­zug ent­steht. Die­ser zieht die Feuch­tig­keit aus dem Fass und sorgt zusam­men mit dem Tem­pe­ra­tur-Gefäl­le für eine schnel­le­re Rei­fung. Unter dem Dach gibt es dabei die größ­te Tem­pe­ra­tur-Dif­fe­renz – von um die null Grad im Win­ter bis zu rund 45 Grad im Som­mer. Die Fäs­ser in die­sem Bereich rei­fen daher auch am schnells­ten. Die aktu­el­len Abfül­lun­gen sind Cuvées aus vier ver­schie­de­nen Fäs­sern und da es auch vier ver­schie­de­ne „Kli­ma­zo­nen“ gibt lässt sich damit gut spielen.

Derzeit gibt es zwei Abfüllungen, die ausschließlich vor Ort erhältlich sind:

EMILL Stockwerk und Kraftwerk
EMILL Stock­werk und Kraftwerk

Das EMILL STOCKWERK (links im Bild) hat mit 46 % ange­neh­me Trink­stär­ke und über­rascht mit kräf­ti­gen Röst­aro­men und einer mil­den Süße mit schö­ner Honig­no­te. Was prak­tisch gänz­lich fehlt ist die Mai­scheno­te, die sonst fast alle deut­schen Whis­kys haben. Erst wenn er lan­ge steht und viel Luft zieht, dann ver­fliegt das Röst­aro­ma und die Mai­sche kommt durch.

Das EMILL KRAFTWERK (rechts im Bild) hat die sel­ben Grund­a­ro­men, kommt mit 58,7 % aber natur­ge­mäß viel kräf­ti­ger daher. Er ist scho­ko­la­di­ger und fruch­ti­ger und ver­trägt viel Was­ser. Auch nach lan­gem Ste­hen behält er sei­ne Nase und sei­nen Geschmack und ist grund­sätz­lich die bes­se­re Wahl, sofern man Fass­stär­ken gewohnt ist.

Auch die Auf­ma­chung ist sehr schick. Schei­bel wirbt bei den Obst­brän­den mit der „Destil­la­ti­on über Gold“ (klingt im Mar­ke­ting toll, Gold reagiert aber mit nichts und bewirkt daher auch nichts), auch der Whis­ky läuft aus den Brenn­bla­sen über eine gol­de­ne Plat­te und die gol­de­ne Far­be zieht sich dann auch in der Ver­pa­ckung durch. Die schwe­re, schlan­ke Fla­sche mit dem dicken Ver­schluss macht ziem­lich viel her, kos­tet aber auch viel: Für das Stock­werk wol­len sie ambi­tio­nier­te 75 € und für das Kraft­werk noch­mal 10 Euro mehr. Vie­le Besu­cher wer­den daher wohl eher zu den klei­nen Aus­ga­ben mit 50 ml grei­fen, die 11,50 € bzw. 12,50 € kos­ten. Klar, klei­ne Auf­la­ge (maxi­mal 350 Fäs­ser im Jahr), hand­werk­li­ches und hei­mi­sches Pro­dukt – aber ich fin­de den Preis trotz­dem sehr hoch. Da über­le­ge ich mir selbst bei einem Schot­ten zwei­mal, ob ich mir eine Fla­sche kau­fe – und der ist dann in der Regel deut­lich älter.

Mein Fazit:

Der Besuch hat sich auf jeden Fall gelohnt. Das Kon­zept hin­ter der Schei­bel Müh­le ist stim­mig, die Brenn­bla­sen pas­sen, die Lager­hal­tung ist durch­dacht, der EMILL gehört egal in wel­cher Aus­füh­rung zu den klar bes­ten im Lan­de. Das alles hat sei­nen Preis, für den er im Ver­gleich zu vie­len ande­ren deut­schen Erzeug­nis­sen aller­dings auch etwas bietet.

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Jörg Bechtold beschäftigt sich seit Ende der 90er Jahre mit Single Malt Whisky. Auf mehreren Reisen nach Schottland hat er Land und Leute kennengelernt sowie viele Destillerien besucht. 2002 hatte er die WHISKYFANPAGE.DE begründet, seit 2006 schreibt er dieses Blog und ist außerdem als Referent für Whisky-Tastings tätig.