Ein Gastartikel von Tim Schneller, Gentleman’s Attitude
So ziemlich jeder kennt das, wenn man für eine Sache brennt und unbedingt möchte, dass es der anderen Person auch gefällt. Dabei schießen wir Whisky-Enthusiasten sehr oft über unser Ziel hinaus. Nur weil man ein Fan von Rauchbomben wie einem Laphroaig oder Lagavulin ist, bedeutet das noch lange nicht, dass der Whisky auch einem blutigen Anfänger schmeckt. Ebenfalls sollte man überlegen, ob man dem Anfänger einen 20 Jahre alten komplexen Whisky gibt, den man eigentlich eine Stunde verriechen sollte, bevor man ihn trinkt.
Gerade bei Whisky ist die Einführung in das Thema nicht so einfach, weil Anfänger die Spirituose eher mit dem günstigen Johnnie Walker Red Label oder einem Jim Beam verbinden. Hier herrschen viele Vorurteile, noch bevor überhaupt probiert wurde. Darüber hinaus sind Anfänger Spirituosen über 40 Prozent selten gewohnt, weshalb das erste Erlebnis sehr schnell ernüchternd ausfällt.
Die erste Begegnung
Wir sollten also bei der “ersten Begegnung” darauf achten, dass der Whisky den Geschmack der jeweiligen Person trifft. Ein wenig Theorie darf natürlich auch sein und vor allem spannende Geschichten rund um den Whisky können gerne erzählt werden. Hierbei aber bitte nicht übertreiben. Wo uns Whisky-Fans das Wasser im Munde zusammenläuft, sitzt einem schnell mal ein skeptisches Gesicht gegenüber. Genauso wichtig ist es, dass Gesagtes überhaupt verstanden wird. Deswegen würde ich vom technischen Vorgang der Destillation Abstand nehmen und eher davon erzählen, wie unglaublich lange unsere Lieblings-Spirituose im Fass liegt, um zu reifen, denn besonders an dieser Stelle sind die Menschen beeindruckt.
Der erste Whisky
Sobald die Theorie-Stunde erledigt und hoffentlich halbwegs auf Begeisterung gestoßen ist, kommt man zum ersten Schluck Whisky. Hier sollten wir besonders bei der Wahl des ersten Whiskys aufpassen.
Man sollte eher zu leichten Standard-Whiskys greifen. Nichts Außergewöhnliches, sondern leichte, bekömmliche und süße Abfüllungen. Des Weiteren sollten die Aromen relativ deutlich sein. Einem Anfänger fällt es sehr schwer zu deuten, was er riecht. Am besten greift man zu einem einfachen Bourbon- oder im Sherry-Fass gereiften Whisky.
Ich habe gute Erfahrungen mit einem Macallan 12 Jahre Sherry gemacht, weil dort die Aromen sehr prägnant sind und der Whisky allgemein einen recht süßen Charakter besitzt. Man kann allerdings auch zu einem Glenfarclas, Glenmorangie (meine Favoriten sind der Lasanta beziehungsweise Quinta Ruban) oder Balvenie greifen. Interessant sind auch dreifach destillierte Whiskys wie ein Auchentoshan, da diese besonders mild im Geschmack ausfallen. Wichtig ist, dass der Alkoholgehalt relativ gering ist. Einen Whisky über 43 Prozent würde ich der Person erst einmal nicht anbieten.
Ausnahmen bestätigen übrigens die Regel, denn nach eigener Erfahrung gibt es auch Anfänger, die man mit einem Laphroaig oder Talisker begeistern kann.
Im Idealfall zeigt man dem Anfänger eine Reihe von Whiskys, um die unterschiedlichen Facetten vorzustellen und etwas zu finden, was der Person schmeckt.
Das Tasten
Auch hier sollten wir uns wieder ein wenig zügeln, denn ob der Pfeffer nun weiß oder schwarz ist oder ob das Geruchsaroma Wald- beziehungsweise Blüten-Honig ist, wird der Anfänger (und ehrlicherweise 99 Prozent aller Whisky-Genießer) sowieso nicht erschmecken.
Man sollte der Person erst einmal Zeit zum Interpretieren geben und nichts vorwegnehmen.
Man kann natürlich ein wenig Hilfestellungen geben: Woran erinnert der Geruch? Ist er eher süßlich? Eine Frucht? Wie ist die Textur des Whiskys: eher cremig oder wässrig? Hier kann man die Person langsam anleiten. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein Aroma-Rad helfen kann.
Um einen typischen Anfängerfehler zu vermeiden, sollte er oder sie die Nase übrigens nicht direkt zu tief ins Glas halten, ansonsten besteht das erste Whisky-Erlebnis aus unangenehm stechendem Alkohol in der ungeübten Nase.
Ein weiterer beliebter Fehler von Anfängern ist es, den Whisky nicht lang genug im Mund zu behalten. Ich habe schon erlebt, dass Anfänger den Whisky wie einen Shot trinken oder aber einen viel zu großen ersten Schluck nehmen. Gerade ungeübte Zungen sollten sich erst langsam an den Alkohol gewöhnen, ansonsten kommt man über das Brennen nicht hinaus.
Die eigene Story
Ich persönlich wurde damals durch ein professionelles Tasting von Whisky überzeugt. In großer Runde mit vielen Whisky-Enthusiasten und Anfängern haben wir mehrer Drams verkostet. Auch hier wurden wir durch die Range von sehr süßlichen ungetorften Whiskys bis hin zum rauchigen, salzigen Talisker geleitet. Es war ein super Abend und auch hier hat man gesehen, dass es Sinn macht, einem Anfänger unterschiedliche Whiskys anzubieten, um den persönlichen Geschmack zu erforschen. Gepaart war der Abend mit einem sehr guten und witzigen Referenten, der es verstanden hat, das Thema verständlich rüberzubringen.
Fazit
Whisky ist eine faszinierende Welt für sich und es macht Spaß, diese zu entdecken. Einen neuen Weggefährten dabei zu finden und das Hobby mit jemandem zu teilen, macht Whisky erst zu etwas ganz Besonderem.
Es ist allerdings wichtig zu verstehen, dass nicht jeder etwas mit dem Thema anfangen kann. Man sollte die Person wirklich langsam heranführen und nicht überfordern. Ist der erste Schritt gemacht und es schmeckt, dann ist das die halbe Miete.
Die Illusion, dass es nur den einfachen Jim Beam oder Jack Daniels gibt (wobei auch diese Destillerien teilweise fantastische Whiskys herausbringen), sitzt tief in den Köpfen der Neulinge fest. Diese Vorstellungen kann man allerdings mit einem guten Single Malt recht schnell zerstören und eine ganz andere Geschmackserfahrung offenbaren. Wie oft habe ich schon den Satz gehört: “Oh, das ist ja etwas vollkommen anderes, wirklich nicht zu vergleichen”.
In diesem Sinne: Slainte Mhath und viel Spaß!
Schöner Artikel! Ich kann das mit dem Laphroaig bestätigen. Besonders der Quarter Cask kommt immer sehr gut an, ob wohl er wirklich mächtig ist. Entweder man liebt es oder man hasst es 😀