von Ernie Scheiner, The Gateway to Distilleries
In der Mainmetropole Frankfurt präsentierte Stephen Rankin, Director of Prestige von Gordon & MacPhail, zusammen mit Importeur Christoph Kirsch, den ältesten bisher abgefüllten Single Malt Schottlands: einen Glenlivet aus dem Jahre 1940. Es war dessen Europa-Premiere zu der Kirsch Import Journalisten und Fachhändler aus Deutschland und Österreich in das exklusive Le Panther-Ambiente einlud. Gleich zu Beginn stellte Stephen Rankin, Repräsentant der vierten Generation der Inhaberfamilie des weltbekannten Premium Abfüllers aus Elgin, die einzigartige Whisky-Preziose vor.
Anschließend komponierte der versierte Darmstädter Whisky-Koch Chris Pepper, ein aroma – und geschmackskomplementäres Menu zu drei klassischen G & M Abfüllungen: Glenlivet 33 Year Old, 49,2 % vol, Mortlach 15 Year Old, 46 % vol und Glen Keith 21 Year Old, 56 % vol. Rosmarin Tarte, Hirsch Medaillons, Variationen von gelber Frucht und Kokosnuss entzückten kulinarisch die Gäste sowie Stephen Rankin.
Anfänge
Seit Jahrzenten ist der weltweit geschätzte unabhängige Blender und Abfüller Gordon & MacPhail der Lieferant von einzigartigen Whiskys. Er ist bekannt dafür, dass er im Gegensatz zu den vielen anderen heute tätigen Independent Bottlers in der Regel keine bereits gereiften Whiskys von den Brennereien erwirbt. Fast 95 % der Bestände wurden und werden von Generation zu Generation grundsätzlich als Fresh Spirit gekauft und danach in eigenen dafür ausgewählten Eichenholzfässern ausgebaut. Das Zauberwort Wood Management war und ist den Urquharts seit jeher ein Begriff und Verpflichtung zugleich. Am Firmensitz in Elgin ruhen rund 7 000 bis 8 000 Fässer in Bonded Steelrack and Dunnage Warehouses.
Gegründet wurde das noch heute im Familienbesitz befindliche Unternehmen im Jahre 1895 in Elgin, wo bis heute das historische Stammgeschäft der Grocers, Tea, Wine & Sprit Merchants in der South Street liegt. Seit den Anfängen können dort Kunden neben Ham, Cheddar und Angus Beef ihren Special Whisky erwerben. Bis in die 1990er Jahre und bis zum Beginn des Internet-Handels war das Geschäft in der South Street für Whiskyliebhaber oft die einzige Adresse, wo sie Whiskies bestimmter Destillerien überhaupt erst kaufen konnten. Gordon & MacPhail verlegte beispielsweise Whiskys der Distilleries Mortlach, Pulteney oder Imperial, die damals keinen eigenen Vertrieb hatten. Nur in gutsortierten Spirituosen-Geschäften des deutschen Fachhandels gab es zu jener Zeit einige wenige Produkte aus Elgin. Mittlerweile sind mehrere Familienmitglieder der vierten Generation in das Management des Betriebs eingebunden.
Gordon & MacPhail‘s Generations Series
Als John Urquhart einen am 15. Oktober 1939 in der Speyside Distillery Mortlach destillierten New Make in ein first-fill Sherry-Hogshead zur Reifung legte, ahnte er nicht, dass seine Nachfahren den Single Malt Scotch Whisky erst siebzig Jahre später verkaufen. „Bei Gordon & MacPhail wird ein Whisky von einer Generation niedergelegt und von der nächsten oder übernächsten Generation abgefüllt,“ erklärte der damalige CEO Michael Urquhart die Firmenphilosophie. Im März 2010 hatten die Nachfahren von John Urquhart den bis dahin ältesten jemals in Schottland auf die Flasche gezogenen Whisky im Edinburgh Castle einem exquisiten Kreis präsentiert. Der Mortlach-Methusalem war in Sekunden ausverkauft.
Weitere ultimative Rare Old Cask Generations Bottlings folgten: Ein Glenlivet Single Malt 70 Year Old, destilliert im Jahre 1940, aus einem Sherry-Fass sprudelte er am 7. September 2010 mit natürlicher Fassstärke von 45,9 %. Ein jahrgangsgleicher siebzigjähriger Glenlivet folgte zwei Jahre darauf mit 45,7 % vol. Vor sechs Jahren erschien ein 75-jähriger Mortlach im Vertrieb, den Stillmen einst am 17. September 1939 in Dufftown destilliert hatten. Lediglich 100 hochpreisige geschliffene Dekanter mit 200 ml 44,4 % vol starkem Mortlach erreichten den globalen Handel.
Die Sensation
Als am Samstag, den 3. Februar 1940 George Urquhart von der zweiten Generation der Whisky-Dynastie einen Glenlivet New Make Spirit in ein Eichenfass füllen ließ, präjudizierte der Whisky- und Weingroßhändler die sich etablierende Familienphilosophie: „The future is shaped by what you do today.“ Zukünftige Generationen sollten entscheiden, wann der Glenlivet Single Malt abzufüllen wäre, ihm war vielleicht bewusst, dass er die Flaschenabfüllung nicht mehr erleben würde.
Blicken wir zurück. Es waren die darbenden Jahre des sich anbahnenden Weltkriegs. Zeitgleich geschah Grausames nur wenige Meilen vor der schottischen Nordseeküste. Deutsche Flieger torpedierten an jenem Wochenende britische Kriegs- und Frachtschiffe. Sie trafen ein Boot der Royal Navy nahe Fraserburgh. Nur 100 km von Elgin entfernt starben 53 Mann Besatzung in den Fluten. Die faschistischen Kriegstreiber freute es. Familien weinten bitterlich. Unsagbares Kriegsleid und radikale Zerstörung, begannen allmählich im Frühjahr 1940 weitere Teile Europas zu erfassen. George Urquhart konnte nicht ahnen, dass sein Nachfahre Stephen 81 Jahre später den Glenlivet Single Malt einer ausgewählten Schar von deutschen, österreichischen Journalisten und Händlern in Frankfurt vorstellen würde.
Bei Gordon & MacPhail füllten die Warehousemen an jenem Kriegstag mehrere Fässer mit dem New Make Spirit in der reduzierten Alkoholstärke von 63,5 % vol aus der Speyside Distillery Glenlivet. Das Destillat reduzierten sie laut Stephen Rankin auf eine Alkoholstärke von 63,5 % vol. Unter den zu füllenden Fässern war ein frisches first-Fill Sherry Butt in dem zuvor ein Oloroso Sherry aus der Bodega Williams & Humbert – Hersteller von Dry Sack Sherry – nach Schottland kam. Den trockenen Oloroso füllten G & M für den Handel in Flaschen. Spanische Küfer hatten einst das Fass mit der Nr. 340 aus luftgetrockneten, sehr dicken Eichenholzdauben aufgebaut. Wann und wo das geschah, welche Toneleria aus dem Sherry Triangle Sanlúcar de Barrameda, Jerez de la Frontera oder El Puerto de Santa Maria das Butt band, liegt im Dunklen verborgen. Der spanische Bürgerkrieg sowie die Bedrohung der Schifffahrtswege nach Schottland erschwerten, bzw. verhinderten den Export von Sherry Fässern. Immer seltener kamen sie per Schiff nach Leith Harbour. Von dort führte ihr Weg mit Dampfzügen nach Elgin in die Speyside.
Woher kommt das Fass? Vermutungen
Laut Stephen Rankin kam das Eichenholz in Stämmen aus Amerika. Dort wuchsen die Eichen in Wäldern seit Mitte des 19. Jhds. „Archivare der Bodega Williams & Humbert geben als Pflanzzeit Queen Victorias Hochzeit mit Prinz Albert um 1840 an.“ Vermutlich achtzig Jahre und länger wuchsen die Eichen heran, bevor andalusische Küfer deren feinporiges, sehr dichtes Holz von höchster Qualität für den Fassbau verwenden konnten.
Vermutlich war das 500 Liter große Fass zunächst als Shipping Cask für den Export eines Sherrys nach Bristol, London, Leith, Glasgow oder Elgin vorgesehen. „Die Dauben sind zweieinhalb Inch dick, denn das Fass musste sehr stabil sein, um den Transport per Schiff, Zug und Pferdekarren ohne Lecks und Schaden zu überstehen,“ erklärte Stephen Rankin. Oft wurden Transport Casks zur Vergärung des Mosts eingesetzt, umso den frisch getoasteten Dauben die Schärfe der Tannine zu nehmen, die sich während der langen Zeit des Transports auf einen gereiften Sherry nachteilig auswirken können. Junge sich erst entwickelnde Weine – Sobretablas – nahmen den Fässern die Schärfe bevor sie die Shipping Bodega für den Versand mit gereiften Sherrys befüllte. Die Reise von Cadiz nach Schottland konnte drei und mehr Monate dauern.
NB: Sherry-Exporte in Fässern sind seit der Mitte der 1970er untersagt, siehe hierzu ausführlich den Artikel Mythos Sherry im The Highland Herold, Sommerausgabe 2018
Der Fassdeckel gibt Hinweise auf den Ursprung
Auftraggeber war der nach einigen Aussagen seit 1900 in El Puerto de Santa Maria aktive Exporthändler José Ramirez. Vorsorglich sollten der in den Fassdeckel eingeschnitzte Bodega-Name die geographische Herkunft des Sherrys-Herstellers sicherstellen. Genaues wissen wir allerdings nicht. Vermutlich wurde das fünfhundert Liter Fass von José Ramirez an die Bodega Williams & Humbert in Jerez weitergereicht. Die Oenologen der seit 1877 erfolgreich von Engländern geführten Production and Shipping Bodega hatten möglicherweise das Ramirez-Fass, Nr. 340, ebenfalls zum Ausbau von Sherrys verwendet oder gar sogleich, was wahrscheinlicher sein könnte, als Transport Cask – span. Bota Chica – mit gereiftem Oloroso von Ramirez oder ihrem eigenen direkt nach Schottland verschifft. In den schwierigen Zeiten freute sich Empfänger George Urquhart über die Ankunft der immer seltener werdenden Lieferung aus Andalusien.
Belegt ist, dass in dem Fass mit Namen Jose Ramirez Puerto de Santa Maria die Bodega Williams & Humbert tatsächlich einen Sherry der Sorte Oloroso nach Schottland schickte, der vermutlich im Jahr 1939 oder spätestens im Januar 1940 nach Elgin zu Gordon & MacPhail kam. Der Sherry wurde dort sogleich für den Verkauf in Flaschen gefüllt. Waren es gar mehrere Sherry-Fässer, die in die Stadt mit der architektonisch reizvollen Kirchenruine kamen? Die dokumentierte Abfüllhistorie von G & M lässt diese Annahme zu, denn Glenlivet Destillate aus dem Herstellungsjahr 1940 belegten mehrere first-fill Sherry-Fässer in den Dunnage Warehouses in Elgin. So erschien 1982 mit dem Glenlivet Originallabel eine 40 % vol-Abfüllung in der Standardflasche. Die Serie Celtic Series Book of Kells schmückte sich mit einem fünfzig Jahre alten Glenlivet der seit 3. Februar 1940 (siehe das gleiche Fülldatum, Fass Nr. 340 oben) in ein first-fill Sherry-Cask im G & M Warehouse heranreifte.
Der New Make Spirit stammte aus der 1823 offiziell legalisierten Brennerei Glenlivet und konnte trotz der Kriegswirren von den Maltmen, Mashmen und Stillmen hergestellt werden, obwohl 1940 das Ministry of Food die Versorgung der Brennerei mit Gerste um ein Drittel kürzte. Zu jener Zeit wurde die Gerste auf den eigenen Floor Maltings selbst gemälzt. Der heimische Torf vom Feaemussach Torffeld brachte Raucharomen in das Destillat, das Stillmen in zwei direkt mit Kohle befeuerten Brennblasenpaaren brannten. Die Gegend um die Maltbarns füllte sich während der winterlichen Jahreszeit mit dem Schwefelrauch der offenen Kaminfeuer der umliegenden Häuser von Drumnin. „Es stank nach Rauch, schlechter Kohle, die rauchendenden Feuer der Brennblasen und der Kilns schufen eine schmutzige Atmosphäre,“ erinnert Stephen Rankin.Den robusten New Make von zwei Brennblasenpaaren kondensierten außenliegende traditionelle Worm Tubs. „Alles war damals reine schweißtreibende Handarbeit,“ betont Rankin. Heute arbeiten die Mash und Stillmen im Akkord, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag und betreiben mit Hilfe einer Computersteuerung 28 indirekt mit Dampf beheizte Brennblasen. Rund 21 Millionen Liter Single Malt Spirit aus Industriemalz mit 2–3 ppm Phenolen sprudeln durch die Spirits Safes. Innenstehende Röhrenkühler aus Kupfer kondensieren das Alkoholdampfgemisch. Der hohe Kupferkontakt des Alkoholabtriebs garantiert ein reines und sauberes Destillat. Die Aromastruktur des 2021-er New Make Spirit ist im Vergleich zu 1940 eine vollkommen andere, weniger komplex und weniger rau.
Der Ertrag
Achtzig Jahre lag das Butt in den Lagerhäusern in Elgin. Am 5. Februar 2020 entleerte Operations Director Stuart Urquhart das am 3. Februar 1940 gefüllte ehemalige Sherry-Butt Nr 340. Auf dessen Deckel stand in weißer Schrift zu lesen: „Geo & JG Smith The Glenlivet Distillery 340 1940 111“. Neben der Fassnummer erfahren wir das Jahr der Befüllung sowie die tatsächliche Füllmenge von 111 British Imperial Gallons (eine Gallone 4,55 Liter), das sind umgerechnet in der Summe 504,6 Liter. Die reale Fassstärke des achtzig jährigen Single Malts lag nach achtzig Jahren Reifezeit bei Entleerung immerhin noch bei 44,9 % vol.
„Diese Alkoholkonzentration ist das Ergebnis einer ruhigen und sorgfältigen bodennahen Lagerung in unseren Dunnage Warehouses in Elgin. Das förderliche Mikroklima in den Lagerhäusern gestattet uns eine sehr lange Reifezeit, das Butt war sehr, sehr dicht,“ freut sich Stephen Rankin. Die Temperaturschwankungen in ihren Warehouses sei sehr gering (Jahresdurchschnitt liegt bei 10 Grad Celsius), erfahrungsgemäß altere ein Spirit im großen Sherry Butt sowieso langsamer, der Verlust von Wasser und Alkohol sei dort gleichmäßiger und daher verlängere sich die Reifezeit um viele Jahre. „Wenn die Oberfläche des Whiskys im Fass im Verhältnis zur Füllmenge zu groß wird, entscheiden wir uns zur Abfüllung, denn der im Fass wirkende Sauerstoff, verändert allmählich den Whisky abträglich,“ fügt der Director of Prestige hinzu, „…Die ursprüngliche Fassfüllstärke lag bei rund 63,5 % vol.“
Ausblick
Weltweit kommen 250 mundgeblasene Glencairn Kristall Karaffen mit jeweils 700 ml 80-jährigem Glenlivet Single Malt in den Verkauf. Der renommierte Architekt und Designer Sir David Adjaye entwarf die repräsentative Holzverpackung und das exklusive mundgeblasene Gebinde. Die Karaffe mit Nr. 1 wird exklusiv am 7. Oktober 2021 bei Sotheby’s in Hong Kong versteigert. Der Erlös, nach Abzug der Selbstkosten, wird der schottischen Stiftung Trees for Life zukommen, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, den Caledonian Forest wieder aufzuforsten. Der oder die Meistbietende wird zusätzlich mit dem Original Fassdeckelkopf no. 340 sowie mit einer vom Designer signierten Lithographie des Planungsentwurfs belohnt. Ein weiteres Highlight wird eine Verkostung von seltenen Whisky-Preziosen mit Stephen Rankin in London sein.
Wie schmeckt nun ein 80-jähriger Single Malt?
Vorbereitung am Morgen: keine Zahnpasta, keine Dusche, kein Deodorant, keinen Kaffee oder gar Croissant oder eine abträgliche Zigarette, nüchtern eben. Der Mund wird lediglich mit stillem Wasser gespült. Bereitstellung von dünnwandigen Rona-Gläsern, Pipette und destilliertem Wasser.
Die Erwartung
Große Freude kommt auf, die Spannung und Erwartungshaltung wächst. Mir wird bewusst, es ist ein Ereignis, das in einem Whisky-Leben höchst selten stattfindet. Es ist ein Privileg und eine Ehre, den ältesten bisher in Schottland abgefüllten Single Malt verkosten und genießen zu dürfen. Als am 3. Februar 1940 das Glenlivet Gerstendestillat in das andalusische Sherry Butt kam, war mein Vater zweiundzwanzig Jahre alt. Erst einige Jahre später kam ich in Weinzierl bei Lambach in Oberösterreich auf die Welt. Still reifte ein Whisky unbeteiligt und distanziert vom gesellschaftlichen Geschehen indifferent heran. Rückblickend kommen beim Einschenken in das Rona-Glas vielfältige Gedanken an Menschen, Gespräche und Gefühle zurück in die Erinnerung. Wir werden uns bewusst, welches gedankliche Potenzial in dem Whisky stecken muss, wie er jetzt Vergangenes aus unserem Leben aufwühlt.
Die Augen sehen im Glas einen dunkelfarbenen, ins rote bernsteinfarbene Spektrum hinübergleitenden Whisky mit einer klaren strahlenden Erscheinung, dessen Natürlichkeit die Lichtreflexe der Morgensonne verstärken. Gedanken an ein sonnengealtertes Eibenfurnier bis hin zur Kastanienschale kommen auf. Assoziationen an einen alten Cognac wie auch die Mahagoni-Farben des oxidativ ausgebauten Palo Cortado werden wach.
Wie mag er nach einer Reifezeit von achtzig Jahren mit welchen Aromen in die Nase strömen? Dumpf oder frisch? Ist er füllig und fruchtig? Welche Assoziationen entfacht der Solitär? Präsentiert er sich kräftig und dicht mit vielerlei Früchten in einer hohen Konzentration gespickt? Erscheinen begleitende Raucharomen wie es früher zur Destillationszeit einmal üblich war?
Der Genuss
Das kräftige Schütteln des 30 ml Probenfläschchens mündet in eine hohe Schaumkrone, die nach fünfzehn Sekunden schwindet. Beim Öffnen des Schraubverschlusses und des sofortigen Riechens glaubt man in ein frisches Hogshead von Casknolia einzutauchen, das Küfer in einer Bodega in Jerez für 24 Monate mit einem Oloroso Sherry für eine deutsche Brennerei zur Befüllung vorbereiteten. Die Nase erreichen voll-fruchtige Aromen von gereiften Früchten. Es ist ein vielschichtig konzentriertes Potpurri an kräftigen Gerüchen, die frisch vom Alkohol getragen in die Nase strömen: reife Zwetschgen wetteifern mit Eindrücken von Rosinen, Feigen und Nüssen. Vanille erscheint.
Welch eine angenehme und überzeugende Überraschung nach achtzig Jahren wohltemperierter, dennoch ausgewogener kühler Fasslagerung in einem feuchten und dunkeln Dunnage Warehouse. Keine Mufftöne stören, kein Firn wie sie bei alten Rioja Weinen von Liebhabern gewünscht werden. Schwefel ist nicht! Das Holz hat den Whisky nicht erdrückt. Der Glenlivet erscheint vielmehr erstaunlich frisch mit Anflügen von Zitrus- und Orangezesten. Minze vermischt sich mit Alkohol, der anfänglich kräftiger erscheint, als er tatsächlich ist. Die Öligkeit ist ausgeprägt, die Schlieren sind nicht allzu dicht sich aneinanderreihend. Mit respektvollem Abstand meandern die Legs in den Glaskelch. Weich und samtig gleitet der Malt die Zunge hinab. Süße setzt ein und leitet über in ein Früchtekompott mit einem komplex kräftigen Aromenstrauss, der von leicht würzigen Noten und Anmutungen von Rauch lange begleitet wird.
Das Eichenholz der dicken Dauben dominiert nicht, die Tannine produzierten eine sehr milde wunderschöne Pfeffrigkeit. Im leeren Glas überrascht ein Gewürzladen mit diffusen Anflügen von Zimt Vanille und anderen Exoten. Dezenter, zurückhaltender Rauch erscheint. Die Zugabe von Wasser ist allerdings nicht zu empfehlen, die Schärfe nimmt zu. Sie bleibt sehr lange prominent.
Eindruck
Lange, sehr lange bleibt der achtzig jährige Glenlivet auf der Zunge und am Gaumen mit vielerlei heimischer und exotischer Frucht präsent, der Nachhall ist enorm, unendlich dicht, vielschichtig voluminös. Spannend, kraftvoll und dennoch elegant verspielt erscheint der Whisky aus der Speyside. Beim ersten Riecheindruck könnte das Alter nicht sofort interpretiert werden. Die Rarität erblüht jünger, jugendlicher als sie tatsächlich ist. Andererseits ist die harmonisch ineinander übergleitende komplexe Struktur der Aromen und Geschmäcker ist ein Resultat der umsorgenden Reifezeit und vorsorglichen Pflege. Der Whisky selbst ist ein generationenübergreifendes Phänomen, denn jeder Tropfen für sich öffnet am Gaumen neue sensorische Erlebnisse und ermöglicht so die Tiefenstruktur, des von Gordon & MacPhail über acht Jahrzehnte gehüteten Speyside Single Malt zu entdecken. Der Glenlivet Single Malt ist eine emotional und aromatisch sehr dichte Once in a Lifetime Experience.
Leider können nicht viele Menschen dieses Juwel schottischer Destillier- und Reifekunst goutieren.
Offizielle Tasting Notes
Der weltbekannte Whisky-Autor Charles MacLean schreibt:
- „Aussehen: Tiefes Umbra mit magenta farbenen Reflexen; altes poliertes Rosenholz.
Nase: Komplexe, weiche Nase, die nach all den Jahren immer noch dynamisch ist. Kopfnoten von Mandelöl und Duftseife, unterlegt von Sandelholz und Ginsterblüten an einem warmen Tag. Ein Hauch von Torfrauch im leeren Glas.
- Gaumen: Eine ölige Textur und eine leichte Süße im Auftakt (Datteln, gesalzene Pflaumen, Feigen), die elegant abklingt (Spuren von trockenem Oloroso-Sherry), hin zu einem langen Menthol-Abgang. Ein Tropfen Wasser erhöht die Würzigkeit.
- Fazit: Kraftvoll und rundum zufriedenstellend. Wahrhaftig, einer der besten Malts, die ich je kennengelernt habe.“
Meinungen
Die Frankfurter Whisky-Ikone Gregor Haslinger, Inhaber des Whisky Spirits Shop in Sachsenhausen, meinte nach der Präsentation:
„So strahlte uns der 80-Jährige in dunklem Bernstein entgegen und die Gäste konnten länger als eine halbe Stunde den nicht enden wollenden Dufterlebnis dieses Tropfens nachspüren. Währenddessen hat uns Stephen Rankin die Geschichte dieses einzigartigen Fasses erzählt, bevor die Geschmacksexplosion im Gaumen ihren Lauf nahm: Eine unglaubliche Aromenfülle, die zu beschreiben kaum möglich ist.“
Der Wiesbadener Whisky-Promoter und Fachhändler Tom Zemann sprühte nur so vor Freude:
„Das Beste, was ich je in der Nase hatte und immer wieder anders. Man muss ihm Zeit zum Atmen geben, gerne auch 2–3 Stunden, das sollte man ihm nach 80 Jahren im Fass ruhig gönnen. Insgesamt einer der TOP-3-WHISKYS, die ich je im Glas hatte!“
Ein anderer Gast, der in der deutschen Whisky-Szene sehr rührige Michael Gradl, Importeur, Fachhändler und Mitorganisator der Nürnberger Whiskymesse The Village, brachte seine Eindrücke auf den Punkt:
„Das waren 80 Jahre flüssige Geschichte im Glas. War schon echt bewegend…“
„Dass dieser Whisky – der älteste jemals abgefüllte Single Malt Scotch – mit einer Stärke von 44,9 % ABV immer noch so voller lebendiger Aromen ist, zeugt vom Wissen, das über mehrere Generationen meiner Familie weitergegeben wurde“, freut sich Stephen Rankin mit berechtigtem Stolz.
Ein Kontigent des 80 Year Old Glenlivet Generations Single Malt wird Anfang Oktober über Kirsch Import erhältlich sein. Der Verkaufspreis für eine Karaffe mit 700 ml Inhalt und einer Designer Umverpackung wurde noch nicht veröffentlicht. Er wird im fünfstelligen Bereich liegen. Vorbestellungen sind über den Fachhandel möglich.
Der Autor dankt Gordon & MacPhail sowie Kirsch Import für das Privileg der Teilnahme an der Präsentation des 80-jährigen Glenlivet Single Malts im Le Panther in Frankfurt am Main und den Erhalt eines Probenpakets. Einen detaillierten Rundgang durch die Glenlivet Distillery in Dufftown erlaubt die Website des Autors The Gateway to Distilleries: http://whisky-distillery.net/www.whisky-distilleries.net/Speyside_Glen-/Seiten/Glenlivet.html
(* = Affiliate-Link / Bildquelle: Amazon-Partnerprogramm)
von Ernie Scheiner, The Gateway to Distilleries
In der Mainmetropole Frankfurt präsentierte Stephen Rankin, Director of Prestige von Gordon & MacPhail, zusammen mit Importeur Christoph Kirsch, den ältesten bisher abgefüllten Single Malt Schottlands: einen Glenlivet aus dem Jahre 1940. Es war dessen Europa-Premiere zu der Kirsch Import Journalisten und Fachhändler aus Deutschland und Österreich in das exklusive Le Panther-Ambiente einlud. Gleich zu Beginn stellte Stephen Rankin, Repräsentant der vierten Generation der Inhaberfamilie des weltbekannten Premium Abfüllers aus Elgin, die einzigartige Whisky-Preziose vor.
Anschließend komponierte der versierte Darmstädter Whisky-Koch Chris Pepper, ein aroma – und geschmackskomplementäres Menu zu drei klassischen G & M Abfüllungen: Glenlivet 33 Year Old, 49,2 % vol, Mortlach 15 Year Old, 46 % vol und Glen Keith 21 Year Old, 56 % vol. Rosmarin Tarte, Hirsch Medaillons, Variationen von gelber Frucht und Kokosnuss entzückten kulinarisch die Gäste sowie Stephen Rankin.
Anfänge
Seit Jahrzenten ist der weltweit geschätzte unabhängige Blender und Abfüller Gordon & MacPhail der Lieferant von einzigartigen Whiskys. Er ist bekannt dafür, dass er im Gegensatz zu den vielen anderen heute tätigen Independent Bottlers in der Regel keine bereits gereiften Whiskys von den Brennereien erwirbt. Fast 95 % der Bestände wurden und werden von Generation zu Generation grundsätzlich als Fresh Spirit gekauft und danach in eigenen dafür ausgewählten Eichenholzfässern ausgebaut. Das Zauberwort Wood Management war und ist den Urquharts seit jeher ein Begriff und Verpflichtung zugleich. Am Firmensitz in Elgin ruhen rund 7 000 bis 8 000 Fässer in Bonded Steelrack and Dunnage Warehouses.
Gegründet wurde das noch heute im Familienbesitz befindliche Unternehmen im Jahre 1895 in Elgin, wo bis heute das historische Stammgeschäft der Grocers, Tea, Wine & Sprit Merchants in der South Street liegt. Seit den Anfängen können dort Kunden neben Ham, Cheddar und Angus Beef ihren Special Whisky erwerben. Bis in die 1990er Jahre und bis zum Beginn des Internet-Handels war das Geschäft in der South Street für Whiskyliebhaber oft die einzige Adresse, wo sie Whiskies bestimmter Destillerien überhaupt erst kaufen konnten. Gordon & MacPhail verlegte beispielsweise Whiskys der Distilleries Mortlach, Pulteney oder Imperial, die damals keinen eigenen Vertrieb hatten. Nur in gutsortierten Spirituosen-Geschäften des deutschen Fachhandels gab es zu jener Zeit einige wenige Produkte aus Elgin. Mittlerweile sind mehrere Familienmitglieder der vierten Generation in das Management des Betriebs eingebunden.
Gordon & MacPhail‘s Generations Series
Als John Urquhart einen am 15. Oktober 1939 in der Speyside Distillery Mortlach destillierten New Make in ein first-fill Sherry-Hogshead zur Reifung legte, ahnte er nicht, dass seine Nachfahren den Single Malt Scotch Whisky erst siebzig Jahre später verkaufen. „Bei Gordon & MacPhail wird ein Whisky von einer Generation niedergelegt und von der nächsten oder übernächsten Generation abgefüllt,“ erklärte der damalige CEO Michael Urquhart die Firmenphilosophie. Im März 2010 hatten die Nachfahren von John Urquhart den bis dahin ältesten jemals in Schottland auf die Flasche gezogenen Whisky im Edinburgh Castle einem exquisiten Kreis präsentiert. Der Mortlach-Methusalem war in Sekunden ausverkauft.
Weitere ultimative Rare Old Cask Generations Bottlings folgten: Ein Glenlivet Single Malt 70 Year Old, destilliert im Jahre 1940, aus einem Sherry-Fass sprudelte er am 7. September 2010 mit natürlicher Fassstärke von 45,9 %. Ein jahrgangsgleicher siebzigjähriger Glenlivet folgte zwei Jahre darauf mit 45,7 % vol. Vor sechs Jahren erschien ein 75-jähriger Mortlach im Vertrieb, den Stillmen einst am 17. September 1939 in Dufftown destilliert hatten. Lediglich 100 hochpreisige geschliffene Dekanter mit 200 ml 44,4 % vol starkem Mortlach erreichten den globalen Handel.
Die Sensation
Als am Samstag, den 3. Februar 1940 George Urquhart von der zweiten Generation der Whisky-Dynastie einen Glenlivet New Make Spirit in ein Eichenfass füllen ließ, präjudizierte der Whisky- und Weingroßhändler die sich etablierende Familienphilosophie: „The future is shaped by what you do today.“ Zukünftige Generationen sollten entscheiden, wann der Glenlivet Single Malt abzufüllen wäre, ihm war vielleicht bewusst, dass er die Flaschenabfüllung nicht mehr erleben würde.
Blicken wir zurück. Es waren die darbenden Jahre des sich anbahnenden Weltkriegs. Zeitgleich geschah Grausames nur wenige Meilen vor der schottischen Nordseeküste. Deutsche Flieger torpedierten an jenem Wochenende britische Kriegs- und Frachtschiffe. Sie trafen ein Boot der Royal Navy nahe Fraserburgh. Nur 100 km von Elgin entfernt starben 53 Mann Besatzung in den Fluten. Die faschistischen Kriegstreiber freute es. Familien weinten bitterlich. Unsagbares Kriegsleid und radikale Zerstörung, begannen allmählich im Frühjahr 1940 weitere Teile Europas zu erfassen. George Urquhart konnte nicht ahnen, dass sein Nachfahre Stephen 81 Jahre später den Glenlivet Single Malt einer ausgewählten Schar von deutschen, österreichischen Journalisten und Händlern in Frankfurt vorstellen würde.
Bei Gordon & MacPhail füllten die Warehousemen an jenem Kriegstag mehrere Fässer mit dem New Make Spirit in der reduzierten Alkoholstärke von 63,5 % vol aus der Speyside Distillery Glenlivet. Das Destillat reduzierten sie laut Stephen Rankin auf eine Alkoholstärke von 63,5 % vol. Unter den zu füllenden Fässern war ein frisches first-Fill Sherry Butt in dem zuvor ein Oloroso Sherry aus der Bodega Williams & Humbert – Hersteller von Dry Sack Sherry – nach Schottland kam. Den trockenen Oloroso füllten G & M für den Handel in Flaschen. Spanische Küfer hatten einst das Fass mit der Nr. 340 aus luftgetrockneten, sehr dicken Eichenholzdauben aufgebaut. Wann und wo das geschah, welche Toneleria aus dem Sherry Triangle Sanlúcar de Barrameda, Jerez de la Frontera oder El Puerto de Santa Maria das Butt band, liegt im Dunklen verborgen. Der spanische Bürgerkrieg sowie die Bedrohung der Schifffahrtswege nach Schottland erschwerten, bzw. verhinderten den Export von Sherry Fässern. Immer seltener kamen sie per Schiff nach Leith Harbour. Von dort führte ihr Weg mit Dampfzügen nach Elgin in die Speyside.
Woher kommt das Fass? Vermutungen
Laut Stephen Rankin kam das Eichenholz in Stämmen aus Amerika. Dort wuchsen die Eichen in Wäldern seit Mitte des 19. Jhds. „Archivare der Bodega Williams & Humbert geben als Pflanzzeit Queen Victorias Hochzeit mit Prinz Albert um 1840 an.“ Vermutlich achtzig Jahre und länger wuchsen die Eichen heran, bevor andalusische Küfer deren feinporiges, sehr dichtes Holz von höchster Qualität für den Fassbau verwenden konnten.
Vermutlich war das 500 Liter große Fass zunächst als Shipping Cask für den Export eines Sherrys nach Bristol, London, Leith, Glasgow oder Elgin vorgesehen. „Die Dauben sind zweieinhalb Inch dick, denn das Fass musste sehr stabil sein, um den Transport per Schiff, Zug und Pferdekarren ohne Lecks und Schaden zu überstehen,“ erklärte Stephen Rankin. Oft wurden Transport Casks zur Vergärung des Mosts eingesetzt, umso den frisch getoasteten Dauben die Schärfe der Tannine zu nehmen, die sich während der langen Zeit des Transports auf einen gereiften Sherry nachteilig auswirken können. Junge sich erst entwickelnde Weine – Sobretablas – nahmen den Fässern die Schärfe bevor sie die Shipping Bodega für den Versand mit gereiften Sherrys befüllte. Die Reise von Cadiz nach Schottland konnte drei und mehr Monate dauern.
NB: Sherry-Exporte in Fässern sind seit der Mitte der 1970er untersagt, siehe hierzu ausführlich den Artikel Mythos Sherry im The Highland Herold, Sommerausgabe 2018
Der Fassdeckel gibt Hinweise auf den Ursprung
Auftraggeber war der nach einigen Aussagen seit 1900 in El Puerto de Santa Maria aktive Exporthändler José Ramirez. Vorsorglich sollten der in den Fassdeckel eingeschnitzte Bodega-Name die geographische Herkunft des Sherrys-Herstellers sicherstellen. Genaues wissen wir allerdings nicht. Vermutlich wurde das fünfhundert Liter Fass von José Ramirez an die Bodega Williams & Humbert in Jerez weitergereicht. Die Oenologen der seit 1877 erfolgreich von Engländern geführten Production and Shipping Bodega hatten möglicherweise das Ramirez-Fass, Nr. 340, ebenfalls zum Ausbau von Sherrys verwendet oder gar sogleich, was wahrscheinlicher sein könnte, als Transport Cask – span. Bota Chica – mit gereiftem Oloroso von Ramirez oder ihrem eigenen direkt nach Schottland verschifft. In den schwierigen Zeiten freute sich Empfänger George Urquhart über die Ankunft der immer seltener werdenden Lieferung aus Andalusien.
Belegt ist, dass in dem Fass mit Namen Jose Ramirez Puerto de Santa Maria die Bodega Williams & Humbert tatsächlich einen Sherry der Sorte Oloroso nach Schottland schickte, der vermutlich im Jahr 1939 oder spätestens im Januar 1940 nach Elgin zu Gordon & MacPhail kam. Der Sherry wurde dort sogleich für den Verkauf in Flaschen gefüllt. Waren es gar mehrere Sherry-Fässer, die in die Stadt mit der architektonisch reizvollen Kirchenruine kamen? Die dokumentierte Abfüllhistorie von G & M lässt diese Annahme zu, denn Glenlivet Destillate aus dem Herstellungsjahr 1940 belegten mehrere first-fill Sherry-Fässer in den Dunnage Warehouses in Elgin. So erschien 1982 mit dem Glenlivet Originallabel eine 40 % vol-Abfüllung in der Standardflasche. Die Serie Celtic Series Book of Kells schmückte sich mit einem fünfzig Jahre alten Glenlivet der seit 3. Februar 1940 (siehe das gleiche Fülldatum, Fass Nr. 340 oben) in ein first-fill Sherry-Cask im G & M Warehouse heranreifte.
Der New Make Spirit stammte aus der 1823 offiziell legalisierten Brennerei Glenlivet und konnte trotz der Kriegswirren von den Maltmen, Mashmen und Stillmen hergestellt werden, obwohl 1940 das Ministry of Food die Versorgung der Brennerei mit Gerste um ein Drittel kürzte. Zu jener Zeit wurde die Gerste auf den eigenen Floor Maltings selbst gemälzt. Der heimische Torf vom Feaemussach Torffeld brachte Raucharomen in das Destillat, das Stillmen in zwei direkt mit Kohle befeuerten Brennblasenpaaren brannten. Die Gegend um die Maltbarns füllte sich während der winterlichen Jahreszeit mit dem Schwefelrauch der offenen Kaminfeuer der umliegenden Häuser von Drumnin. „Es stank nach Rauch, schlechter Kohle, die rauchendenden Feuer der Brennblasen und der Kilns schufen eine schmutzige Atmosphäre,“ erinnert Stephen Rankin.Den robusten New Make von zwei Brennblasenpaaren kondensierten außenliegende traditionelle Worm Tubs. „Alles war damals reine schweißtreibende Handarbeit,“ betont Rankin. Heute arbeiten die Mash und Stillmen im Akkord, sieben Tage die Woche, 24 Stunden am Tag und betreiben mit Hilfe einer Computersteuerung 28 indirekt mit Dampf beheizte Brennblasen. Rund 21 Millionen Liter Single Malt Spirit aus Industriemalz mit 2–3 ppm Phenolen sprudeln durch die Spirits Safes. Innenstehende Röhrenkühler aus Kupfer kondensieren das Alkoholdampfgemisch. Der hohe Kupferkontakt des Alkoholabtriebs garantiert ein reines und sauberes Destillat. Die Aromastruktur des 2021-er New Make Spirit ist im Vergleich zu 1940 eine vollkommen andere, weniger komplex und weniger rau.
Der Ertrag
Achtzig Jahre lag das Butt in den Lagerhäusern in Elgin. Am 5. Februar 2020 entleerte Operations Director Stuart Urquhart das am 3. Februar 1940 gefüllte ehemalige Sherry-Butt Nr 340. Auf dessen Deckel stand in weißer Schrift zu lesen: „Geo & JG Smith The Glenlivet Distillery 340 1940 111“. Neben der Fassnummer erfahren wir das Jahr der Befüllung sowie die tatsächliche Füllmenge von 111 British Imperial Gallons (eine Gallone 4,55 Liter), das sind umgerechnet in der Summe 504,6 Liter. Die reale Fassstärke des achtzig jährigen Single Malts lag nach achtzig Jahren Reifezeit bei Entleerung immerhin noch bei 44,9 % vol.
„Diese Alkoholkonzentration ist das Ergebnis einer ruhigen und sorgfältigen bodennahen Lagerung in unseren Dunnage Warehouses in Elgin. Das förderliche Mikroklima in den Lagerhäusern gestattet uns eine sehr lange Reifezeit, das Butt war sehr, sehr dicht,“ freut sich Stephen Rankin. Die Temperaturschwankungen in ihren Warehouses sei sehr gering (Jahresdurchschnitt liegt bei 10 Grad Celsius), erfahrungsgemäß altere ein Spirit im großen Sherry Butt sowieso langsamer, der Verlust von Wasser und Alkohol sei dort gleichmäßiger und daher verlängere sich die Reifezeit um viele Jahre. „Wenn die Oberfläche des Whiskys im Fass im Verhältnis zur Füllmenge zu groß wird, entscheiden wir uns zur Abfüllung, denn der im Fass wirkende Sauerstoff, verändert allmählich den Whisky abträglich,“ fügt der Director of Prestige hinzu, „…Die ursprüngliche Fassfüllstärke lag bei rund 63,5 % vol.“
Ausblick
Weltweit kommen 250 mundgeblasene Glencairn Kristall Karaffen mit jeweils 700 ml 80-jährigem Glenlivet Single Malt in den Verkauf. Der renommierte Architekt und Designer Sir David Adjaye entwarf die repräsentative Holzverpackung und das exklusive mundgeblasene Gebinde. Die Karaffe mit Nr. 1 wird exklusiv am 7. Oktober 2021 bei Sotheby’s in Hong Kong versteigert. Der Erlös, nach Abzug der Selbstkosten, wird der schottischen Stiftung Trees for Life zukommen, die es sich zur Aufgabe gestellt hat, den Caledonian Forest wieder aufzuforsten. Der oder die Meistbietende wird zusätzlich mit dem Original Fassdeckelkopf no. 340 sowie mit einer vom Designer signierten Lithographie des Planungsentwurfs belohnt. Ein weiteres Highlight wird eine Verkostung von seltenen Whisky-Preziosen mit Stephen Rankin in London sein.
Wie schmeckt nun ein 80-jähriger Single Malt?
Vorbereitung am Morgen: keine Zahnpasta, keine Dusche, kein Deodorant, keinen Kaffee oder gar Croissant oder eine abträgliche Zigarette, nüchtern eben. Der Mund wird lediglich mit stillem Wasser gespült. Bereitstellung von dünnwandigen Rona-Gläsern, Pipette und destilliertem Wasser.
Die Erwartung
Große Freude kommt auf, die Spannung und Erwartungshaltung wächst. Mir wird bewusst, es ist ein Ereignis, das in einem Whisky-Leben höchst selten stattfindet. Es ist ein Privileg und eine Ehre, den ältesten bisher in Schottland abgefüllten Single Malt verkosten und genießen zu dürfen. Als am 3. Februar 1940 das Glenlivet Gerstendestillat in das andalusische Sherry Butt kam, war mein Vater zweiundzwanzig Jahre alt. Erst einige Jahre später kam ich in Weinzierl bei Lambach in Oberösterreich auf die Welt. Still reifte ein Whisky unbeteiligt und distanziert vom gesellschaftlichen Geschehen indifferent heran. Rückblickend kommen beim Einschenken in das Rona-Glas vielfältige Gedanken an Menschen, Gespräche und Gefühle zurück in die Erinnerung. Wir werden uns bewusst, welches gedankliche Potenzial in dem Whisky stecken muss, wie er jetzt Vergangenes aus unserem Leben aufwühlt.
Die Augen sehen im Glas einen dunkelfarbenen, ins rote bernsteinfarbene Spektrum hinübergleitenden Whisky mit einer klaren strahlenden Erscheinung, dessen Natürlichkeit die Lichtreflexe der Morgensonne verstärken. Gedanken an ein sonnengealtertes Eibenfurnier bis hin zur Kastanienschale kommen auf. Assoziationen an einen alten Cognac wie auch die Mahagoni-Farben des oxidativ ausgebauten Palo Cortado werden wach.
Wie mag er nach einer Reifezeit von achtzig Jahren mit welchen Aromen in die Nase strömen? Dumpf oder frisch? Ist er füllig und fruchtig? Welche Assoziationen entfacht der Solitär? Präsentiert er sich kräftig und dicht mit vielerlei Früchten in einer hohen Konzentration gespickt? Erscheinen begleitende Raucharomen wie es früher zur Destillationszeit einmal üblich war?
Der Genuss
Das kräftige Schütteln des 30 ml Probenfläschchens mündet in eine hohe Schaumkrone, die nach fünfzehn Sekunden schwindet. Beim Öffnen des Schraubverschlusses und des sofortigen Riechens glaubt man in ein frisches Hogshead von Casknolia einzutauchen, das Küfer in einer Bodega in Jerez für 24 Monate mit einem Oloroso Sherry für eine deutsche Brennerei zur Befüllung vorbereiteten. Die Nase erreichen voll-fruchtige Aromen von gereiften Früchten. Es ist ein vielschichtig konzentriertes Potpurri an kräftigen Gerüchen, die frisch vom Alkohol getragen in die Nase strömen: reife Zwetschgen wetteifern mit Eindrücken von Rosinen, Feigen und Nüssen. Vanille erscheint.
Welch eine angenehme und überzeugende Überraschung nach achtzig Jahren wohltemperierter, dennoch ausgewogener kühler Fasslagerung in einem feuchten und dunkeln Dunnage Warehouse. Keine Mufftöne stören, kein Firn wie sie bei alten Rioja Weinen von Liebhabern gewünscht werden. Schwefel ist nicht! Das Holz hat den Whisky nicht erdrückt. Der Glenlivet erscheint vielmehr erstaunlich frisch mit Anflügen von Zitrus- und Orangezesten. Minze vermischt sich mit Alkohol, der anfänglich kräftiger erscheint, als er tatsächlich ist. Die Öligkeit ist ausgeprägt, die Schlieren sind nicht allzu dicht sich aneinanderreihend. Mit respektvollem Abstand meandern die Legs in den Glaskelch. Weich und samtig gleitet der Malt die Zunge hinab. Süße setzt ein und leitet über in ein Früchtekompott mit einem komplex kräftigen Aromenstrauss, der von leicht würzigen Noten und Anmutungen von Rauch lange begleitet wird.
Das Eichenholz der dicken Dauben dominiert nicht, die Tannine produzierten eine sehr milde wunderschöne Pfeffrigkeit. Im leeren Glas überrascht ein Gewürzladen mit diffusen Anflügen von Zimt Vanille und anderen Exoten. Dezenter, zurückhaltender Rauch erscheint. Die Zugabe von Wasser ist allerdings nicht zu empfehlen, die Schärfe nimmt zu. Sie bleibt sehr lange prominent.
Eindruck
Lange, sehr lange bleibt der achtzig jährige Glenlivet auf der Zunge und am Gaumen mit vielerlei heimischer und exotischer Frucht präsent, der Nachhall ist enorm, unendlich dicht, vielschichtig voluminös. Spannend, kraftvoll und dennoch elegant verspielt erscheint der Whisky aus der Speyside. Beim ersten Riecheindruck könnte das Alter nicht sofort interpretiert werden. Die Rarität erblüht jünger, jugendlicher als sie tatsächlich ist. Andererseits ist die harmonisch ineinander übergleitende komplexe Struktur der Aromen und Geschmäcker ist ein Resultat der umsorgenden Reifezeit und vorsorglichen Pflege. Der Whisky selbst ist ein generationenübergreifendes Phänomen, denn jeder Tropfen für sich öffnet am Gaumen neue sensorische Erlebnisse und ermöglicht so die Tiefenstruktur, des von Gordon & MacPhail über acht Jahrzehnte gehüteten Speyside Single Malt zu entdecken. Der Glenlivet Single Malt ist eine emotional und aromatisch sehr dichte Once in a Lifetime Experience.
Leider können nicht viele Menschen dieses Juwel schottischer Destillier- und Reifekunst goutieren.
Offizielle Tasting Notes
Der weltbekannte Whisky-Autor Charles MacLean schreibt:
Nase: Komplexe, weiche Nase, die nach all den Jahren immer noch dynamisch ist. Kopfnoten von Mandelöl und Duftseife, unterlegt von Sandelholz und Ginsterblüten an einem warmen Tag. Ein Hauch von Torfrauch im leeren Glas.
Meinungen
Die Frankfurter Whisky-Ikone Gregor Haslinger, Inhaber des Whisky Spirits Shop in Sachsenhausen, meinte nach der Präsentation:
„So strahlte uns der 80-Jährige in dunklem Bernstein entgegen und die Gäste konnten länger als eine halbe Stunde den nicht enden wollenden Dufterlebnis dieses Tropfens nachspüren. Währenddessen hat uns Stephen Rankin die Geschichte dieses einzigartigen Fasses erzählt, bevor die Geschmacksexplosion im Gaumen ihren Lauf nahm: Eine unglaubliche Aromenfülle, die zu beschreiben kaum möglich ist.“
Der Wiesbadener Whisky-Promoter und Fachhändler Tom Zemann sprühte nur so vor Freude:
„Das Beste, was ich je in der Nase hatte und immer wieder anders. Man muss ihm Zeit zum Atmen geben, gerne auch 2–3 Stunden, das sollte man ihm nach 80 Jahren im Fass ruhig gönnen. Insgesamt einer der TOP-3-WHISKYS, die ich je im Glas hatte!“
Ein anderer Gast, der in der deutschen Whisky-Szene sehr rührige Michael Gradl, Importeur, Fachhändler und Mitorganisator der Nürnberger Whiskymesse The Village, brachte seine Eindrücke auf den Punkt:
„Das waren 80 Jahre flüssige Geschichte im Glas. War schon echt bewegend…“
„Dass dieser Whisky – der älteste jemals abgefüllte Single Malt Scotch – mit einer Stärke von 44,9 % ABV immer noch so voller lebendiger Aromen ist, zeugt vom Wissen, das über mehrere Generationen meiner Familie weitergegeben wurde“, freut sich Stephen Rankin mit berechtigtem Stolz.
Ein Kontigent des 80 Year Old Glenlivet Generations Single Malt wird Anfang Oktober über Kirsch Import erhältlich sein. Der Verkaufspreis für eine Karaffe mit 700 ml Inhalt und einer Designer Umverpackung wurde noch nicht veröffentlicht. Er wird im fünfstelligen Bereich liegen. Vorbestellungen sind über den Fachhandel möglich.
Der Autor dankt Gordon & MacPhail sowie Kirsch Import für das Privileg der Teilnahme an der Präsentation des 80-jährigen Glenlivet Single Malts im Le Panther in Frankfurt am Main und den Erhalt eines Probenpakets. Einen detaillierten Rundgang durch die Glenlivet Distillery in Dufftown erlaubt die Website des Autors The Gateway to Distilleries: http://whisky-distillery.net/www.whisky-distilleries.net/Speyside_Glen-/Seiten/Glenlivet.html