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Malt Madness – ist der Whisky-Markt verrückt oder bin ich es?

Die Cards-Serie, bei der Sammler feuchte Augen bekommen...
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Es ist nun über 20 Jah­re her, dass ich den Whis­ky für mich ent­deckt habe. Wie jeder Anfän­ger habe ich erst die Ori­gi­nal­ab­fül­lun­gen der Destil­le­rien gekauft, woll­te jede Destil­le­rie ein­mal pro­biert haben. Dann habe ich die Welt der unab­hän­gi­gen Abfül­ler und der Ein­zel­fass­ab­fül­lun­gen ent­deckt und die Zahl der Fla­schen in mei­nen Rega­len wuchs und wuchs.

Dabei habe ich nie zu den Total­ver­rück­ten gezählt. Ich ken­ne Leu­te, die haben hun­der­te von Fla­schen und man­che sogar vier­stel­li­ge Samm­lun­gen. Bei mir haben sich offe­ne und geschlos­se­ne Fla­schen eigent­lich immer die Waa­ge gehal­ten. Rich­tig gesam­melt habe ich nie. Wenn ich mir etwas gekauft habe, dann weil ich neu­gie­rig dar­auf war oder ein Dram oder ein Sam­ple pro­bie­ren konn­te und die Fla­sche unbe­dingt für spä­ter haben wollte.

Seit­dem ich Whis­ky-Tastings ver­an­stal­te, hat sich die Zahl der offe­nen Fla­schen stän­dig so sehr ver­grö­ßert, dass ich mir in den letz­ten ein bis zwei Jah­ren nur noch ver­gleichs­wei­se weni­ge neue Fla­schen gekauft habe. Und wenn, dann waren es eher Stan­dards oder aus­ge­fal­le­ne­re Abfül­lun­gen wie z.B. Japa­ner, nicht erst seit mei­ner Japan-Rei­se 2016 mei­ne gro­ße Lei­den­schaft. Aller­dings sind die Japa­ner so teu­er gewor­den, dass man sich die wirk­lich inter­es­san­ten Abfül­lun­gen prak­tisch nicht mehr leis­ten kann.

Die Mehr­zahl der gekauf­ten Fla­schen bewe­gen sich bei mir in einem Preis­seg­ment irgend­wo zwi­schen 50 und 100 €. Dafür hat man frü­her eine gan­ze Men­ge ziem­lich gei­les Zeugs bekom­men, durch­aus auch ein paar Jah­re älter und in fast durch­weg hoher Qualität.

Inzwi­schen ist das anders. Man bekommt immer noch sehr gute Abfül­lun­gen, man muss sie aller­dings deut­lich mehr suchen. Fand man die Schät­ze frü­her auch mal bei den klei­ne­ren Abfül­lern, haben sie heu­te eher wie­der die gro­ßen. Das ist auch kein Wun­der, denn wo sol­len die guten Fäs­ser noch her­kom­men. Nur die gro­ßen Abfül­ler haben noch die Lager­be­stän­de aus alter Zeit und die rich­ti­gen Ver­bin­dun­gen für die aktuellen.

Vie­les, was frü­her für sagen wir 75 € zu bekom­men war kos­tet heu­te eher das Dop­pel­te. Und da kom­men wir zum Pro­blem, denn mein Gehalt hat sich in den letz­ten 10 Jah­ren nicht ver­dop­pelt. Viel­leicht bin ich also auch nur zwangs­wei­se wäh­le­ri­scher als früher.

Von 2013 bis 2017 hat­te ich einen eige­nen Online-Shop. Aus die­ser Zeit ken­ne ich die Kal­ku­la­tio­nen in der Bran­che, weiß um die Dif­fe­renz zwi­schen Ange­bot und Nach­fra­ge. Sen­det ein unab­hän­gi­ger Abfül­ler die neue Preis­lis­te, dann sind zwei Stun­den spä­ter die inter­es­san­ten Fla­schen schon aus­ver­kauft. Daher ist es auch kein Wun­der, dass die Händ­ler auch mal deut­lich höher kal­ku­lie­ren als frü­her und die Rela­tio­nen zwi­schen Ein­kaufs­preis und Ver­kaufs­preis aus dem Ruder gera­ten. Das gilt nicht für die Stan­dards, aber gera­de bei den oben erwähn­ten Japa­nern ist das ziem­lich deut­lich zu beob­ach­ten. Und spä­tes­tens wenn man die Ori­gi­nal­prei­se aus Japan dazu kennt, bin zumin­dest ich dann raus…

Es gibt inzwi­schen gan­ze Markt­seg­men­te, die sind nur noch für Samm­ler und Inves­to­ren inter­es­sant. Es ist ja schön, wenn Web­sites wie whiskystats.net stän­di­ge Preis­stei­ge­run­gen beob­ach­ten. Aber wenn die­se Fla­schen nur noch in gewis­sen Zir­keln hin- und her­ge­scho­ben wer­den, ohne dass sie jemals jemand trinkt? Was macht das auf Dau­er mit dem gan­zen Whisky-Markt?

Auf der ande­ren Sei­te wächst aber auch der Markt der Stan­dards wie­der. Es gibt so vie­le neue Destil­le­rien wie seit hun­dert Jah­ren nicht mehr. In Schott­land, aber auch in Irland gibt es vie­le neue Mar­ken und alte wer­den wie­der­be­lebt. Im Rest der Welt steigt die Qua­li­tät und selbst die Scotch Whis­ky Asso­cia­ti­on hat vor kur­zem erst die Regeln für Scotch Whis­ky geän­dert, um mehr Fass­ar­ten zuzu­las­sen und so der Kon­kur­renz zu trot­zen. Anders aus­ge­drückt: Im nor­ma­len Preis­seg­ment wird das Ange­bot immer grö­ßer. Es gibt also ein immer grö­ße­res Miss­ver­hält­nis zwi­schen einem grö­ßer wer­den­den Ein­stiegs­markt und einem wei­ter abdrif­ten­den Sammlermarkt.

Auch ich ertap­pe mich dabei, dass mich die Stan­dard­ab­fül­lun­gen wie­der mehr inter­es­sie­ren. Frü­her weit­ge­hend unbe­ach­te­te schot­ti­sche Destil­le­rien brin­gen neue Sin­gle Malts auf den Markt, es gibt tol­le neue Irish Whis­keys und sogar die deut­schen Whis­kys wer­den lang­sam inter­es­sant, zumin­dest ver­ein­zelt. Ich pro­bie­re immer mehr inter­na­tio­na­len Whis­ky aus aller Welt. Irgend­wie schließt sich der Kreis und es geht zurück auf los.

Und das ist auch gut so. Ein Zei­chen, dass sich der Whis­ky-Markt in den nächs­ten Jah­ren viel­leicht wie­der nor­ma­li­siert. Dass die Bla­se platzt, die teu­ren Fla­schen doch noch auf­ge­ris­sen wer­den und die neu­en Mar­ken den Markt über­schwem­men und sich die Prei­se wie­der normalisieren. 

Nur ein Traum? Ich hof­fe nicht…

P.S.: Apro­pos total ver­rückt und Japa­ner (und der Grund für die Wahl des Arti­kel­bil­des auf der Start­sei­te): Anfang Novem­ber fin­det in Schwe­den ein Tasting-Event statt, bei dem die (fast) kom­plet­te Ichiro’s Malt Card Coll­ec­tion ver­kos­tet wird. Die Serie von 58 Abfül­lun­gen der geschlos­se­nen Destil­le­rie Hanyu wird in Samm­ler­krei­sen um 500.000 € gehan­delt (ja, rich­tig gele­sen) und das Tasting kos­tet schlap­pe 21.000 $ pro Per­son. Im Schnäpp­chen­preis ist dann auch gleich ein Ster­ne­me­nü dabei, war­um auch nicht. Hat jemand Interesse?

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Jörg Bechtold beschäftigt sich seit Ende der 90er Jahre mit Single Malt Whisky. Auf mehreren Reisen nach Schottland hat er Land und Leute kennengelernt sowie viele Destillerien besucht. 2002 hatte er die WHISKYFANPAGE.DE begründet, seit 2006 schreibt er dieses Blog und ist außerdem als Referent für Whisky-Tastings tätig.

1 Kommentar zu “Malt Madness – ist der Whisky-Markt verrückt oder bin ich es?

  1. Ich woll­te das Tasting mit­ma­chen aber der Flug war mir zu teu­er ðŸ¤£

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