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Bushmills oder Kilbeggan: Wer von beiden ist die älteste irische Distillery?

John Teeling

Ernie – Ernst J. Schei­ner beleuch­tet die iri­sche Whis­ky-Geschich­te im vier­tel­jähr­lich erschei­nen­den Irland Jour­nal und geht der Fra­ge nach, wel­che die ältes­te iri­sche Bren­ne­rei ist. Bush­mills oder Kil­be­ggan? Wie­der­ga­be mit freund­li­cher Geneh­mi­gung des Chris­ti­an Lud­wig Ver­lags, Moers.

In sei­nem Por­tal The Gate­way to Distil­le­ries beschreibt Ernie die Bren­ne­rei­en Bush­mills und Kil­be­ggan mit zahl­rei­chen Fotos aus­führ­lich. Vom 27. Sep­tem­ber bis 3. Okto­ber 2015 führt er eine Rei­se zu den iri­schen Bren­ne­rei­en Sla­ne, Coo­ley, Ding­le, Kil­be­ggan, Tull­amo­re, Tee­ling und Gre­at Nor­t­hern durch.

Whis­ky, das war im 19. Jhd. gemein­hin iri­scher Whis­key. Er beherrsch­te den inter­na­tio­na­len Markt. Irlands usquebaugh wur­de in Eng­land, den U.S.A. und Cana­da sowie in den bri­ti­schen Kolo­nien sehr ger­ne getrun­ken. Selbst­be­wusst grenz­ten sich des­halb eini­ge Dub­li­ner Distil­le­ries mit ihrer eige­nen Schreib­wei­se -ey- von den damals ‚rau­hen und rau­chi­gen’ Whis­kies der Schot­ten nicht nur geschmack­lich, son­dern auch mar­ke­ting­stra­te­gisch ab. Iri­scher Whis­key begeis­ter­te mit sei­ner Fruch­tig­keit, Weich­heit und Wür­zig­keit die Nasen und Zun­gen der Welt.

Kein Wun­der, dass die gigan­ti­schen Brenn­bla­sen der Dub­li­ner Bren­ne­rei Geor­ge Roe & Co. Ltd damals allei­ne rund neun Mil­lio­nen Liter köst­li­chen Pot Still Whis­key pro­du­zier­ten. Die­se neben der Guin­ness Braue­rei gele­ge­ne Brenn­stät­te war 1879 die Größ­te nicht nur Dub­lins, son­dern der dama­li­gen Whis­ky-Welt. Sie gehör­te zu den Big Four: John Jame­son in der Bow Street (4,5 Mil­lio­nen Liter), Wil­liam Jame­son in der Mar­row­bo­ne Lane und John Power in der John’s Lane (bei­de mit einer Jah­res­pro­duk­ti­on von vier Mil­lio­nen Litern).

Mit die­ser Grö­ße konn­ten die meis­ten schot­ti­schen Sin­gle Malt Distil­le­ries nicht mit­hal­ten. Die Glen Rothes Distil­lery pro­du­zier­te bei­spiels­wei­se 360 000 Liter wäh­rend die eben­falls in der Spey­si­de lie­gen­de, aber weit­aus berühm­te­re, The Glen­li­vet Distil­lery nur rund „200 000 Gal­lo­nen (900 000 Liter) rei­nen High­land Malt jähr­lich erzeug­te,“ wie uns der Chro­nist Alfred Bar­nard in sei­nem Kom­pen­di­um The Whis­ky Distil­le­ries of the United King­dom 1887 berichtete.

Die Big Four aus Dub­lin domi­nier­ten zwar die iri­sche Whis­key-Indus­trie, den­noch wur­de auch auf dem Lan­de Whis­key in unter­schied­li­chen Qua­li­tä­ten gebrannt. Beleg­te 64 Whis­ky-Pro­du­zen­ten gab es im Hin­ter­land 1843. Im Jah­re 1835 lag die­se Zahl sogar bei 93. Über­all wur­de Whis­ky oder Whis­key legal oder ille­gal gebrannt: Antrim, Bel­fast, Cork, Dun­dalk, Der­ry, Gal­way, Lime­rick, Wex­ford und Tullamore.

Im Coun­ty West­me­ath eta­blier­te sich bereits 1757 am Fluss Brusna/Brosna eine Distil­lery, die unter den Namen Brusna, Locke’s oder Kil­be­ggan bekannt wur­de. Zwei­hun­dert Jah­re soll­te es dau­ern bis die Feu­er unter ihren Brenn­bla­sen erlo­schen. Poli­ti­sche Skan­da­le und Jah­re der Miss­wirt­schaft been­de­ten zunächst 1958 die akti­ve Brennereigeschichte.

Glückliche Umstände fügten sich jedoch in den folgenden Jahren zusammen.

Der ein­hei­mi­sche Geschäfts­mann Bri­an Quinn und sei­ne Freun­de erkann­ten den archäo­lo­gi­schen Wert der ehe­ma­li­gen Brau- und Brenn­stät­te. Sie began­nen 1982 das all­mäh­lich zer­fal­len­de Indus­trie-Denk­mal zu erhal­ten. Sie repa­rier­ten, restau­rier­ten und bewahr­ten so gro­ße Tei­le der ori­gi­na­len Aus­stat­tung. Zuschüs­se zur Erhal­tung flos­sen von der Euro­päi­schen Uni­on. Kil­be­ggan Distil­lery wur­de als Muse­um wei­ter­ge­führt und ent­wi­ckel­te sich zu einer tou­ris­ti­schen Attrak­ti­on in einem struk­tur­schwa­chen Gebiet des Coun­ty Meath. Selbst die Prä­si­den­tin Irlands Mary McA­lee­se trug sich am 17. Juni 1998 in das Gäs­te­buch ein. Der mil­li­ons­te Besu­cher Erwin Henne­farth folg­te ihr am 8. Sep­tem­ber 2011. Erwin wuss­te nicht wie im geschah, als er vom Chair­man der Coo­ley Distil­lery Dr. John Tee­ling und vie­len ande­ren mit einem Glas Cham­pa­gner emp­fan­gen wur­de. Der Rum­mel war groß. Pres­se, Rund­funk und Fern­se­hen doku­men­tier­ten das his­to­ri­sche Ereig­nis als der Stu­di­en­rei­sen­de ein Bour­bon-Fass mit fri­schem Kil­be­ggan Spi­rit füllte.

John Teeling

Vier Jah­re zuvor weck­te der iri­sche Unter­neh­mer Dr. Tee­ling die Bren­ne­rei aus ihrem Dorn­rös­chen­schlaf. In Anwe­sen­heit der Nach­fah­ren der ehe­ma­li­gen Besit­zer­fa­mi­li­en McMa­nus, Codd und Locke spru­del­te am 19. März 2007 wie­der der Kil­be­ggan New Make Spi­rit. „Glück­li­cher­wei­se wur­de die jähr­li­che Lizenz­ge­bühr für die Destil­la­ti­on eines Whis­keys in Höhe von £ 5,- von uns stets gezahlt,“ berich­tet Mana­ger Bri­an Quinn.

Wo steht die älteste Brennerei der Emerald Isle?

Matthew Mac­Ma­nus war einer der ers­ten nament­li­chen Besit­zer, der wohl seit 1757 am River Bros­na eine Destil­le­rie betrieb. Die Vor­aus­set­zun­gen dafür waren sehr güns­tig, denn in West­me­ath und Off­a­ly wuchs die Som­mer­gers­te präch­tig, bil­li­ger Brenn­stoff fand sich in deren Peat Bogs und es gab viel, viel Was­ser am Ort. Daher ist es kein Wun­der, dass bei die­sen idea­len Bedin­gun­gen zwei wei­te­re Brenn­stät­ten in der Ort­schaft Whis­key pro­du­zier­ten. Im 18. Jhd. notier­ten die Steu­er­ein­trei­ber in ihren Lis­ten sogar 43 wei­te­re Brenn­or­te in der Region.

Bushmills

Matthew ahn­te damals nicht, dass sei­ne Brusna Distil­lery ein­mal die ältes­te noch arbei­ten­de Bren­ne­rei Irlands wer­den wür­de. Die­se Ein­ord­nung war nicht ein­deu­tig, denn die Uls­ter Distil­lery Bush­mills schmück­te sich ger­ne mit die­sem Epi­the­ton. An ihrem Tor ist heu­te noch zu lesen: „Old Bush­mills / Distil­lery / Est. 1608.“ For­schun­gen bewei­sen jedoch das Gegen­teil. Rich­tig ist zwar, dass der Lord Depu­ty of Ire­land, Sir Arthur Chi­ches­ter, am 20. April 1608 einem Sir Tho­mas Phil­lips aus dem ehe­ma­li­gen Coun­ty of Cole­rai­ne eine Lizenz für the next sea­ven yeres, within the coun­tie of Colerane…distill such and soe gre­at quan­ti­ties of aqua­vi­te, usquabagh and aqua com­po­si­ta…“ erteil­te. Die­se Lizenz galt für den Land­strich „Row­the“ oder „Rou­te“ in Antrim, in dem Old Bush­mills liegt. Wie es in jener Zeit üblich war, konn­te Phil­lips die­se Brenn­erlaub­nis an ande­re Per­so­nen in sei­nem Gel­tungs­be­reich für eine Abfin­dung über­tra­gen. Ähn­li­che Lizen­zen zum Destil­lie­ren von „aqua­vi­te“ wur­den vom Lord Depu­ty bereits einen Monat zuvor im März 1608 an Per­so­nen in Gal­way, Muns­ter und Leins­ter (dort liegt Kil­be­ggan) aus­ge­ge­ben. His­to­ri­ker berich­ten, dass es in der Ort­schaft Bush­mills 1782 allei­ne vier lizen­zier­te Bren­ne­rei­en gab, dar­un­ter die erst­mals 1784 ‚regis­trier­te’ Old Bush­mills Distil­lery. Gera­de die­se Jah­res­zahl sei ohne­hin in vie­len betriebs­be­zo­ge­nen Doku­men­ten oder Pro­duk­ten schrift­lich belegt. Sie doku­men­tie­ren damit wohl das tat­säch­li­che Grün­dungs­da­tum. Zu allem Unglück wur­den die Gebäu­de der „alten Bren­ne­rei“ 1885 durch ein Feu­er voll­kom­men zerstört.

Kilbeggan Maltmill Wasserkraft

Somit wird Kil­be­ggan zur ältes­ten lizen­zier­ten Brenn­stät­te Irlands, die dar­über hin­aus in den ältes­ten erhal­te­nen Mau­ern einer iri­schen Distil­lery heu­te wie­der Whis­key destil­liert. Dar­un­ter sind Malt Whis­keys, Pot Still Whis­keys (aus unge­mälz­ter und gemälz­ter Gers­te) und Rye Whis­keys, die zwei­fach oder drei­fach gebrannt wer­den. Eini­ge ihrer Gebäu­de­tei­le rei­chen sogar in die Zeit Ent­ste­hungs­zeit zurück, aber auch in jene als John Locke die Pot Still Distil­lery von Geor­ge Codd 1846 über­nahm. Obwohl die Doku­men­ten­la­ge exzel­lent ist, ein Groß­teil liegt in der Natio­nal Libra­ry in der Kil­da­re Street in Dub­lin, blei­ben die Grün­dungs­jah­re etwas im Dunkeln.

Der Aufstieg des irischen Whiskeys.

Seit 1556 war es in Irland ver­bo­ten, ohne eine Lizenz aqua vitae zu destil­lie­ren. In der Bevöl­ke­rung war das Was­ser des Lebens beliebt und sein täg­li­cher Kon­sum groß. Die eng­li­sche Kro­ne ver­dien­te mit, denn Charles II besteu­er­te ab 1661 jede spru­deln­de „gal­lon of spi­rit“ (4,5 Liter) mit vier Pence. Der ste­tig stei­gen­de Ver­brauch soll­te durch die­se ‚könig­li­che’ Preis­er­hö­hung ein­ge­dämmt wer­den. Ande­rer­seits such­te der Chan­cell­or of the Exche­quer, die stets klam­men Staats­kas­sen reich­lich zu fül­len. Ein Heer von gau­gers and excis­e­men trieb für ihn die Steu­ern ein.

Die Wirt­schafts­zah­len bele­gen für 1720, dass geschätz­te drei Mil­lio­nen Iren für etwa 23,4 Mil­lio­nen Liter Alko­hol, 23,8 Mil­lio­nen Liter Bier und 55,8 Liter Wein Steu­ern ent­rich­te­ten. Die Bücher des Inspec­tor Gene­ral of Excise of Ire­land doku­men­tie­ren den rasant wach­sen­den Ver­brauch auf. Ende des 18. Jhds war die Vor­lie­be der Iren für ihren Whis­key grö­ßer gewor­den, der Kon­sum von Rum, Cognac, Gin und Wein ging hin­ge­gen spür­bar zurück.

Die Malt Tax – erst­mals 1697 in Eng­land erho­ben – führ­te zu einem typisch iri­schen Spi­rit, dem Irish Pot Still. Die­se könig­li­che Son­der­steu­er mach­te die Iren erfin­de­risch. Ein ein­fa­cher Trick, die Kos­ten zu mini­mie­ren, war die Ver­wen­dung von erhöh­ten Antei­len unge­mälz­ter, also steu­er­frei­er, Gers­te bei der Maische­pro­duk­ti­on. Die Brenn­meis­ter schlu­gen erfolg­reich zurück. Sie erhöh­ten ein­fach die Antei­le der unge­mält­zen Gers­te bis zu 40% und mehr. Manch­mal füg­ten sie Rog­gen oder Hafer dazu, um so die steu­er­li­chen Abga­ben legal wir­kungs­voll zu umge­hen. Das Ergeb­nis war ein typisch iri­sches Pro­dukt, der wür­zi­ge Pot Still Whis­key.

Kein Wun­der, dass die selbst­be­wuss­ten Iren, den­noch das Schwarz­bren­nen for­cier­ten. Es galt der unge­lieb­ten Kro­ne stets ein Schnäpp­chen zu schla­gen. Poi­tin, Moons­hi­ner oder usquebaugh wur­den in klei­nen Brenn­bla­sen über­all, wo nur mög­lich, im Lan­de im Ver­bor­ge­nen her­ge­stellt, sofort in Crock Jugs ver­kauft und sogleich vor Ort kon­su­miert. Schwarz­bren­nen wur­de zum Wild­wuchs, daher 1761 muss­ten nach einem neu­en Gesetz Bren­ner ihre Kup­fer­bla­sen, ihre Grö­ße und ihre Lage regis­trie­ren las­sen. Kil­be­ggan war eben­falls dar­un­ter. Die Excise Offi­cers ver­buch­ten in den Mid­lands um Ath­lo­ne, Mary­bo­rough und Trim 151 Brenn­or­te. Im Trim-Bezirk, in dem die Kil­be­ggan Distil­lery lag, zähl­ten sie 42, in ganz Irland 876 Mit­be­wer­ber. Aller­dings destil­lier­ten die­se klei­ne­ren Farm-Distil­le­ries durch­schnitt­lich nur 8 100 Liter New Make Spi­rit pro Jahr.

Hun­dert Jah­re spä­ter brann­te die Kil­be­ggan Distil­lery allei­ne etwa die glei­che Men­ge aller Trim-Brenn­bla­sen zusam­men. Was war gesche­hen? Whis­key wur­de in allen gesell­schaft­li­chen Schich­ten Irlands immer mehr zum Natio­nal­ge­tränk. Der Whis­key-Kon­sum nahm ste­tig zu. Die berühmt-berüch­tig­te Don­ny­brook Fare zeig­te den zuneh­men­den Alko­hol­kon­sum. All­jähr­lich im August tra­fen sich bis zu 75.000 Men­schen im west­li­chen Dub­li­ner Vor­ort zu einem zwei­tä­gi­gen kol­lek­ti­ven aus­schwei­fen­den Besäufnis.

Kilbeggans Aufstieg

Matthew McMa­nus war einer der drei lizen­sier­ten Brenn­meis­ter in der Ort­schaft Kil­be­ggan, der in klei­nen Brenn­bla­sen mit einer Füll­men­ge von rund 1250 Litern Whis­key brann­te, der in der Regi­on oft als jun­ger, nicht fass­ge­la­ger­ter Spi­rit getrun­ken wur­de. Whis­key wur­de ein ein­träg­li­ches Geschäft. Da wun­dert es nicht, dass auf der gegen­über­lie­gen­den Stra­ßen­sei­te eine wei­te­re Bren­ne­rei ent­stand. Geor­ge Codd nut­ze eben­falls die idea­le Lage am River Bros­na und instal­lier­te grö­ße­re Brenn­bla­sen mit einem Fas­sungs­ver­mö­gen von rund 2000 Litern.

Ende des 18. Jhds. wech­sel­ten McMa­nus und die Fol­ge­be­sit­zer Geor­ge Codds vom Destil­lie­ren zum Bier­brau­en, da die Regie­rung die Besteue­rung des Whis­keys kräf­tig erst­mals 1796, danach 1801 und 1816 wie­der­um anhob, aber gleich­zei­tig die Bier­steu­er ver­min­der­te. Man glaub­te eben, Bier sei das gerin­ge­re Übel des Alko­ho­lis­mus. Der gewünsch­te Effekt trat ein. Lan­des­weit sank die Zahl der Brenn­stät­ten 1823 auf etwa 40. Da jedoch die Ein­nah­men der Alko­hol­steu­er radi­kal zurück­gin­gen, wur­den die Bestim­mun­gen der Excise Laws wie­der geän­dert. Die Fol­ge, die Alko­hol­ab­ga­be für Whis­key sank sich erheb­lich. Die­se Ver­än­de­rung schuf neue wirt­schaft­li­che Anrei­ze. Nied­ri­ge­re Steu­ern bewirk­ten eine stän­di­ge Zunah­me der Whis­key-Pro­duk­ti­on und einen Anstieg der Brenn­stät­ten. Mit Whis­key war wie­der ein­mal viel Geld zu ver­die­nen. Die Steu­er­ein­nah­men für den Fis­kus stie­gen wie gewünscht.

1846 erwarb John Locke die Brau- und Destil­la­ti­ons­rech­te. Mit ihm ver­än­der­te sich Struk­tur der Brenn­stät­te voll­kom­men. Vor Locke hat­te der wohl­ha­ben­den Tabak­händ­ler John Fallon aus der Nach­bar­ge­mein­de Tull­amo­re die Pro­duk­ti­ons­stät­te bereits nach Geor­ge Codds Tod (1823) erwei­tert. Zusam­men mit den Kauf­leu­ten Patrick Brett und Hen­ry Gower kam fri­sches Kapi­tal in den „con­cern“. Gleich­zei­tig schuf das neue libe­ra­le Whis­key-Besteue­rungs­ge­setz 1823 wei­te­re Pro­duk­ti­ons­an­rei­ze. 132 000 Liter New Make Spi­rit spru­del­ten damals jähr­lich aus den Brenn­bla­sen. Ver­kauft wur­de das Destil­lat zunächst in West­me­ath und Off­a­ly. 1834 eröff­ne­te die Anbin­dung an den Grand Canal den Weg nach Dub­lin, Eng­land und in die neue Welt. Die Jah­res­pro­duk­ti­on stieg rasant auf über eine Mil­li­on Liter. John Locke’s Whis­key wur­de wegen sei­ner guten Qua­li­tät zu einem Begriff in der iri­schen und eng­li­schen Gesellschaft.

Der gewal­ti­ge Boom soll­te Irland mit 50 Mil­lio­nen Liter Whis­key über­schwem­men. So durf­te 1828 allei­ne in Dub­lin an 1714 Stel­len Alko­hol ver­kauft wer­den. Wäh­rend der Arbeit Bier oder Whis­key in gro­ßen Men­gen zu trin­ken war üblich. Alko­ho­lis­mus und Armut erreich­ten ihre Höhe­punk­te. Die iri­sche Gesell­schaft schien im Deli­ri­um zu ver­kom­men. West­mins­ter sorg­te sich. Die begin­nen­den Tem­pe­rance Move­ments in den iri­schen Städ­ten waren eine wei­te­re Reak­ti­on. Der Kreuz­zug gegen den Teu­fel Alko­hol um Father Theo­bald Mathew aus Cork bewirk­te eine spür­ba­re Umkehr. Hun­der­tau­sen­de folg­ten ihm in Gal­way, Lime­rick und Dub­lin. Sie gelob­ten: „I pro­mi­se to abs­tain from all into­xi­ca­ting drinks except used medi­cinal­ly and by order of a medi­cal man and to dis­coun­ten­an­ce the cau­se and prac­ti­ce of intem­pe­rance.“ Pubs und Distil­le­ries schlos­sen mas­sen­haft, denn das Tee­to­ta­ler-Bewusst­sein führ­te bei vie­len Iren zu einer ver­än­der­ten Trink­hal­tung. So wur­de bei­spiels­wei­se der wöchent­li­che Lohn nicht mehr in Pubs aus­ge­zahlt, um nicht Trin­kan­rei­ze zu schaf­fen. Theo­bald Mathew, der Apost­le of Tem­pe­rance, erreich­te mit der Total Abs­ti­nence Pledge sein Ziel, mehr als die Hälf­te der iri­schen Bevöl­ke­rung schloss sich der Bewe­gung an: Die Zahl der Taver­nen fiel inner­halb weni­ger Jah­re von 21 300 auf 13 500, die der Bren­ne­rei­en von 94 im Jah­re 1838 auf nur 61 im Jah­re 1844.

Mit­ten in den Höhe­punkt der Tem­pe­renz­ler Bewe­gung und der ein­set­zen­den Whis­key-Rezes­si­on kam die Anmie­tung der Kil­be­ggan Distil­lery durch John Locke im Jah­re 1843. Er hat­te sich bereits erfolg­los an der im Nach­bar­ort lie­gen­den Tull­mo­re Distil­lery ver­sucht. Nun such­te er sein Glück – unter denk­bar schlech­ten Vor­zei­chen – am Bros­na River. Die gesell­schafts­po­li­ti­schen Ver­än­de­run­gen hal­fen ihm. Der Elan der Tem­pe­rance Move­ments war nicht von Dau­er. Whis­key wur­de wie­der mehr und mehr zu einem gesell­schafts­fä­hi­gen Getränk, er war der stets will­kom­me­ne Beglei­ter wäh­rend Fami­li­en­fei­ern von der Geburt bis hin zum Fried­hof. Die Brusna Distil­lery flo­rier­te. Ihr Whis­key wur­de wie­der geschätzt. Wohl­stand und Anse­hen der Bren­ne­rei­be­sit­zer stie­gen. Die Lockes erwar­ben sich in der Regi­on den Ruf eines sozia­len Arbeit­ge­bers, der für sei­ne workers sorg­te. Ihre Spen­den­freu­dig­keit für den Kil­be­ggan Reli­ef Fund wäh­rend der Gre­at Fami­ne war groß­zü­gig. Die Aus­ga­be der Hafer­sup­pe für die Hun­gern­den war für die katho­li­sche Mit­tel­stands­fa­mi­lie selbst­ver­ständ­lich. Sie spon­ser­ten sogar die berühm­ten heu­te noch statt­fin­den­den Kil­be­ggan Races.

Als der viel­zi­tier­te Chro­nist Alfred Bar­nard 1886 die iri­schen und schot­ti­schen Whis­ky-Destil­le­rien bereis­te, kam er auch in das geo­gra­phi­sche Zen­trum Irlands. Er doku­men­tier­te Fort­schritt, Erfolg und Expan­si­on, die sich seit 1860 in Kil­be­ggan unter der Fami­lie Locke posi­tiv abzeich­ne­ten. Neue Brenn­bla­sen kamen von Millar’s in Dub­lin. Hori­zon­ta­le Mühl­stei­ne, die heu­te noch zu sehen sind, impor­tier­ten John Locke’s Söh­ne nach sei­nem Tode (1887) aus Glas­gow. Es ist die Zeit der gro­ßen welt­wei­ten Erfol­ge der iri­schen Distil­le­ries. Rund ein Fünf­tel des Locke­schen Whis­keys ging nach Eng­land, nach Ame­ri­ka und nach Cana­da. Die iri­schen Whis­key-Expor­te stie­gen von 4,5 Mil­lio­nen Liter (1860) auf 38,5 Mil­lio­nen Liter im Jah­re 1907. Die Gesamt­pro­duk­ti­on erreich­te 63 Mil­lio­nen Liter Irish Spi­rit. Dar­un­ter waren 1 350 000 Liter des Irish Pot Still Whis­key aus Kilbeggan.

Der Niedergang des irischen Whiskeys

Mit den Umsät­zen stieg der Anteil des mit Patent Stills güns­tig her­ge­stell­ten Silent Spi­rits auf mehr als 70 %. Bel­fast hat­te sich mitt­ler­wei­le zu einem star­ken Blen­ding Cen­ter ent­wi­ckelt und ver­sorg­te den eng­li­schen Markt mit sehr jun­gen Blends, die oft bil­li­ge schot­ti­sche Grain Whis­kies ent­hiel­ten. Sie wur­den fälsch­li­cher­wei­se unter dem Label Irish Whis­key erfolg­reich ver­mar­ket. Das ande­re Zen­trum der iri­schen Whis­key-Indus­trie Dub­lin mit sei­nen Big Four, John Jame­son, Wil­liam Jame­son, Power und Roe, hielt wei­ter stur an den tra­di­tio­nel­len Brenn­ver­fah­ren ihres Irish Pot Still Whis­keys fest. Sie igno­rier­ten die aktu­el­le Trend­wen­de des Geschmacks. So auch Locke, denn ihr Pot Still Whis­key wur­de nach wie vor sehr ger­ne von Eng­län­dern, dar­un­ter Win­s­ton Chur­chill, getrun­ken. Trotz der gro­ßen Kon­kur­renz der Irish Blen­ded Whis­keys und ins­be­son­de­re der Scot­tish Blen­ded Whis­kies konn­ten sich Locke’s Whis­key bis nach dem Zwei­ten Welt­krieg auf dem Markt halten.

Den­noch, Locke und die Tra­di­tio­na­lis­ten ver­moch­ten die gro­ßen Erfol­ge der Blends nicht auf­zu­hal­ten. Den Whis­ky-Trin­kern schmeck­te der Ver­schnitt aus Grain Whis­kies, Pot Still Whis­keys oder Sin­gle Malt Whis­kies ein­fach bes­ser. Die Umsät­ze gin­gen dra­ma­tisch zurück. Locke konn­te nur noch ein Fünf­tel sei­ner ehe­ma­li­gen Super­um­sät­ze erzie­len. Der iri­sche Whis­key und Locke stan­den vor dem Aus, den die radi­ka­len poli­ti­schen Ver­än­de­run­gen, das Eas­ter Rising von 1916, die Abspal­tung vom Ver­ei­nig­ten König­reich, die ame­ri­ka­ni­sche Pro­hi­bi­ti­on, die Welt­krie­ge und die poli­ti­schen Skan­da­le beschleu­nig­ten den Nie­der­gang. Der iri­sche Whis­key-Markt kol­la­bier­te. Anfang der fünf­zi­ger Jah­re des 20. Jhds waren nur noch fünf Distil­le­ries in den Gebie­ten der heu­ti­gen Repu­blic of Ire­land übrig geblie­ben: Cork Distil­lers, Jame­son, Locke, Power und Tull­amo­re. Die ältes­te unter ihnen, Locke’s Whis­key Distil­lery, ver­ab­schie­de­te sich all­mäh­lich vom Markt, da gutes Manage­ment, inves­ti­ves Kapi­tal und neue Part­ner fehl­ten. Der fina­le Schock kam 1952. Eine fast 30% pro­zen­ti­ge Erhö­hung der Alko­hol­steu­er ver­ur­sach­te einen dra­ma­ti­schen Rück­gang des Whis­key-Kon­sums in Irland. Die John Locke Ltd. war schließ­lich nicht mehr in der Lage die Steu­ern für ihre Lager­be­stän­de zu bezah­len, die Pro­duk­ti­on ende­te 1953. Weil die Rück­zah­lun­gen aus­blie­ben schloss die Pro­vin­cial Bank die Distil­lery Gates am 27. Novem­ber 1958. Ihr Nie­der­gang setz­te sich schlei­chend fort. Die Bren­ne­rei ver­wan­del­te sich in einen Schwein­mast­be­s­trieb. Anfang der Sieb­zi­ger Jah­re wur­den die Destil­la­ti­ons­an­la­ge, dar­un­ter die vier Brenn­bla­sen abge­ris­sen und zu Schrott ver­ar­bei­tet. Was für ein Schick­sal für eine einst so stol­ze Bren­ne­rei? Weni­ge Wochen nach dem Ver­kauf der Kup­fer­tei­le, sank der Kup­fer­preis radi­kal. Ein frü­her ein­set­zen­der Preis­ver­fall hät­te ver­mut­lich die Destil­la­ti­ons­an­la­ge gerettet.

Die Kil­be­ggan Deve­lo­p­ment Asso­cia­ti­on begann 1982 die zer­fal­len­de Bren­ne­rei mit ihren Lager­häu­sern zu erhal­ten. Ret­tung kam eben­falls aus der neu ent­stan­de­nen Coo­ley Distil­lery Plc in River­stown, Co. Louth, denn sie such­te zur Rei­fung ihrer Whis­keys Lager­räu­me. Sie fand die­se in den 200 Jah­re alten Kil­be­ggan Warehou­ses.

John Cashman

Eine neue Part­ner­schaft ent­stand. 1988 über­rasch­te John Tee­ling die Whis­ky-Indus­trie: “Im Erwerb der Locke-Mar­ken­rech­te sahen wir eine neue Chan­ce der Wie­der­ge­burt die­ser alten Bren­ne­rei und ihrer Tra­di­ti­ons­mar­ke.“ Sei­nem Traum von einer blü­hen­den iri­schen Whis­ky-Land­schaft kam er näher. Am 17. Juli 1992 stand ein Locke’s Whis­key wie­der in den iri­schen und inter­na­tio­na­len Rega­len. Der in Coo­ley destil­lier­te Gers­ten-Roh­brand wur­de anschlie­ßend in einer funk­ti­ons­fä­hi­gen Spi­rit Still Kil­be­ggans fein­ge­brannt. Sie stamm­te ursprüng­lich aus der Tull­amo­re Distil­lery, wo sie zur Ent­kal­kung des har­ten kalk­hal­ti­gen Was­sers ein­ge­setzt wur­de. Heu­te gilt die­se Brenn­bla­se als die welt­weit ältes­te Whis­ky Pot Still und dürf­te mehr als 150 Jah­re alt sein, erklärt Mana­ger Bri­an Quinn. Sie ist der gro­ße Schatz der Kil­be­ggan Distil­lery Expe­ri­ence.

250 Jah­re nach der Grün­dung spru­del­te am 19. März 2007 wie­der rei­ner Kil­be­ggan Spi­rit aus den Brenn­bla­sen. Neue Mai­sche- und Gär­bot­ti­sche pro­du­zie­ren ein Bier, das in einer von der renom­mier­ten schot­ti­schen Kup­fer­schmie­de For­syth her­ge­stell­ten Wash Still auf 21 Vol. % destil­liert wird. Die Low Wines wer­den in der zwei­ten Destil­la­ti­on wei­ter auf 75 Vol. % ver­stärkt. Die Qua­li­tät des New Make Spi­rits ist eine abso­lu­te Über­ra­schung. Er ist fein und sehr dezent, fast zurück­hal­tend im Cha­rak­ter, fruch­ti­ge Aro­men von Bana­nen und Ana­nas strö­men in die Nase. Die Zun­ge erfreut sich an einem rei­nen Gers­ten-Spi­rit, der wenig ölig, leicht süß und lang anhal­tend gau­men­fül­lend ist. „Der kla­re Sin­gle Malt ist dank sei­ner Rein­heit sofort trink­fä­hig und bedarf eigent­lich kei­ner rei­ni­gen­den Rei­fung im Eichen­fass,“ freu­te sich der dama­li­ge Mana­ger Bri­an Quinn.

Kilbeggan Fermenters

Seit 1757 war die Distil­lery in Kil­be­ggan in iri­schen Hän­den. Die Über­ra­schung war groß, als im Dezem­ber 2011 Beam Inc. den ein­zi­gen unab­hän­gi­gen iri­schen Whis­key-Her­stel­ler Coo­ley Distil­lery plc für $95 Mil­lio­nen erwarb. Der ame­ri­ka­ni­sche Glo­bal Play­er brach­te den Kil­be­ggan Blen­ded Whis­key mit Ver­ve in den ame­ri­ka­ni­schen Markt. Anläss­lich des St. Patrick’s Day expor­tier­te er im März sogleich die zwan­zig­fa­che Men­ge gegen­über der des Vor­jah­res in die Geschäf­te von 28 U.S.-Staaten. Seit 2014 gehört die
ältes­te pro­du­zie­ren­de iri­sche Distil­lery zum Beam Sun­to­ry Konzern.

Empfehlenswerte Literatur:

Andrew Bie­len­berg. Lockes‘s Distil­lery. A Histo­ry. Dub­lin, 1993, 2007.
Peter Mul­ryan. Four Hundred Years in the Making. Bel­fast 2009.
The Gate­way to Distil­le­ries: Ein Rund­gang durch Ireland’s Oldest Distillery

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Ernst J. Scheiner ist der Herausgeber des Portals The Gateway to Distilleries und hat über 140 Destillerien fotografisch von innen dokumentiert sowie ihre Produktion beschrieben. Seit seinem Studium an der University of Edinburgh befasst er sich mit Whisky und publiziert in englisch- und deutschsprachigen Blogs sowie Magazinen über schottische und irische Destillerien. Als Whisk(e)y-Botschafter führt er Tasting-Kollegs und Studienreisen für Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie für das EBZ Irland durch.